Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
schien dies nichts auszumachen. Mit
     energischen Schritten betrat er das Schiff. Ich schalt mich einen kleingläubigen
     Narren und tat es ihm nach. Während ich mit zittrigen Beinen den kaum
     schulterbreiten Laufsteg entlangging, erkannte ich, dass am Bug der Kogge
     ihr Name in verblassenden weißen Buchstaben prangte: Ich betrat die
     »Kreuz der Trave«.
    Auf dem Deck roch es nach
     nassem Holz, nach Salz und Teer und gepökelten Fischen. Ich sah mich
     um: Vorne ruhten zwei mächtige, schwarze Anker auf den Planken, in
     der Mitte ragte der Mast hoch auf. An ihm war die Rah festgebunden, an der
     das Segel zusammengerollt war. Mast und Rah zusammen glichen mir einem
     Galgen für Riesen und mich schauderte. Am Heck ragte ein Kastell in
     die Höhe, eine Art quadratisches Haus aus grob zurechtgehauenen
     Brettern. Quer vor dem Kastell lag eine Winde in mächtigen
     Verankerungen. Raue Hanfseile führten von ihr zur Rah, als wären
     es die Fäden eines gigantischen Spinnennetzes. Im Kastell standen ein
     paar Fässer und Kisten zu beiden Seiten der mit zwei Stricken
     festgezurrten schweren Ruderpinne.
    Alles machte einen von den
     Gezeiten und dem Wetter geprüften, doch gepflegten Eindruck -
     zumindest auf mich, der ich nicht einmal den Rhein mit einem Kahn überquert
     hatte, geschweige denn zur See gefahren war. Doch ich konnte die Kogge mit
     jenen Pinassen vergleichen, die ich vom Kölner Rheinhafen her kannte
     - und mit jenen, die neben der »Kreuz der Trave« vertäut
     waren. Verglichen mit diesen Booten wirkte die Kogge wie ein zwar älterer,
     doch ehrwürdiger Ritter inmitten einer Versammlung unsolider kleiner
     Marketender.
    Wir erblickten zunächst
     jedoch niemanden. Im ganzen Hafen von Paris, der vor Geschäftigkeit
     summte, schien ausgerechnet das größte Schiff von allen so
     ausgestorben zu sein wie ein Friedhof. »Ist jemand an Bord?«,
     rief Philippe de Touloubre.   
    Da tauchte ein roter
     Haarschopf an der Luke zum Schiffsbauch auf: Ein vierschrötiger Mann
     in seinen Dreißigern kam polternd eine Leiter hochgeklettert. Sein
     Gesicht war oberhalb seines dichten, roten Bartes von Wind, Salz und Sonne
     dunkel gebrannt, doch seine Augen waren ungewöhnlich hellblau - so
     als wären sie aus Glas und ganz ohne Tiefe. Gekleidet war er in ein
     dunkles Wams aus Leder und hellen Beinkleidern, die allerdings viele
     Flecken unbestimmbarer Farbe verunstalteten.
    Ich sah, dass er wütend
     war und einen Fluch auf den Lippen trug. Wahrscheinlich hatten wir ihn
     unsanft aus einem Mittagsschlummer geweckt. Doch als er unseren Habit sah,
     schluckte er schnell und verbeugte sich beflissentlich.
    »Ich bin Gernot,
     Steuermann auf der ›Kreuz der Trave‹«, sagte er und
     machte eine unbeholfen wirkende, einladende Geste. Sein Französisch
     war schauderhaft.
    Meister Philippe grüßte
     ihn mit einem lateinischen Segenswunsch, dann wandte er sich an mich.
     »Du wirst übersetzen müssen, fürchte ich. Mein
     Deutsch ist nicht besser als sein Französisch und ich glaube nicht,
     dass wir uns auf Latein unterhalten können.« So wandte ich mich
     denn an den Steuermann und entbot ihm einen Gruß in seiner
     Heimatsprache.                  
    Gernot war überrascht,
     als ich ihn so ansprach. Misstrauisch und auf unbestimmbare Art auch
     schuldbewusst blickte er uns an. »Womit kann ich Euch dienen?«,
     fragte er.
    »Mit einer Auskunft«,
     antwortete der Inquisitor, nachdem ich übersetzt hatte. »Wir
     suchen Richard Helmstede. Wo mögen wir ihn wohl antreffen?«
    Der Steuermann schien
     erleichtert zu sein, dass wir nicht ihn befragen wollten. Doch seine
     Haltung blieb die eines Wächters, der einen verdächtigen Laut
     vernommen hat und nun in die Nacht hineinhorcht. »Mein Herr wohnt
     nicht an Bord«, gab er zurück. »Wir sind schon«, er
     zögerte kurz, »länger in Paris. Da hat er sich ein Haus
     gemietet. Es heißt das ›Haus zum Hahn‹, doch ich kann
     Euch die Straße nicht nennen, denn ich verlaufe mich immer in dieser
     Stadt, die so unglaublich groß ist.« Verlegen sah er zu Boden.
    Philippe de Touloubre lächelte
     freundlich. »Ich kenne das Haus. Es steht bei der Kirche Innocents,
     an der Rue Saint-Martin. Kein Haus der einfachen Leute.«
    »Mein Herr ist Reeder
     zu Lübeck«, erwiderte Gernot stolz. »Und einer der
     angesehensten dort«, setzte er dann hinzu, als ob er glaubte, dass
     uns seine Aussage nicht reichen würde. »Bist du allein an

Weitere Kostenlose Bücher