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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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vielleicht nicht an der Seele, gesund
     waren, verwehrten ihnen die Mönche, die hier Dienst taten, energisch
     den Zutritt.
    Ein paar Schritte hinter dem
     Hotel Dieu lag das andere Ufer der Insel. Meister Philippe führte
     mich ein Stück weit nach Osten, zur Spitze der Cite, die gegen die
     Strömung des Flusses wies. Ich erblickte von dort aus schon die
     beiden unbewohnten Eilande Ile-aux-Vaches und Ile-de-Notre-Dame, die wohl
     einige hundert Schritt stromauf in der Seine lagen. Sie trugen Ginster und
     Eiben, Schilf und kleine, versumpfte Weiden, aber kein einziges Gebäude
     von Menschenhand. An ihren Ufern jedoch waren Wassermühlen
     festgemacht, welche die Kraft des Flusses nutzten, um Getreide für
     den ewig hungrigen Magen von Paris zu mahlen. Fischernetze steckten im
     flachen Wasser entlang der Schilfgürtel. Ein losgerissener Lastkahn,
     längst von seinem Besitzer aufgegeben und schon halb vermodert, hatte
     sich in einem der Netze verfangen und schwankte in der Strömung
     langsam hin und her. Der dunkle, morsche Kahn kam mir in diesem Augenblick
     vor wie ein riesiger Zeigefinger, der mahnend geschwenkt wurde. Doch wenn
     es so war, dann wollte dies in ganz Paris niemand sehen.
    Auch ich schüttelte die
     Vision ab und folgte dem Inquisitor in die Rue de la Juiverie, die vom
     Uferkai abzweigte.
    Die Gasse war ungewöhnlich
     eng und nur ein paar Dutzend Schritte lang. Das Haus »Zum bunten
     Ochsen« war leicht zu finden. Schlicht war es und schmucklos; nur
     ein geschnitzter, farbig bemalter Ochsenkopf wies auf den Namen hin.
    Der Inquisitor trat energisch
     auf die Tür des Gebäudes zu. »Dann wollen wir mal zum
     Juden gehen«, sagte er grimmig. »Möge GOTT, dass es uns
     besser ergeht als dem letzten Dominikaner, der hier eingetreten ist!«
    Ich schlug das Kreuz und
     folgte ihm.
    Der Raum zur Straße hin
     war weiß gekalkt, schmucklos, sauber und im Übrigen fast so
     eingerichtet wie jener im Hause des Pietro Datini. Man hätte denken können,
     dass hier Christenmenschen arbeiteten — wenn nicht die beiden
     Gehilfen, die gerade am großen Tisch Münzen abwogen, den
     gelben, aufgenähten Flicken an ihren Gewändern getragen hätten.
     Den gelben Stoff hatte Seine Heiligkeit Innozenz III. vor über
     einhundert Jahren den Juden als Kennung befohlen. Er symbolisiert, wie
     jedermann weiß, die Geldstücke, die diesem Volk mehr bedeuten
     als uns Christenmenschen. So dachte ich damals zumindest. Doch was
     geschrieben steht, das gilt, so glaube ich heute, für alle Seelen: Vendite quae possidetis et date
     elemosynam facite vobis sacculos qui non veterescunt thesaurum non
     deficientem in caelis quo für non adpropiat neque tinea corrumpit.
    Die beiden jüdischen
     Geldwechslergehilfen erbleichten vor Furcht, als sie unserer ansichtig
     wurden. Der ältere der beiden, der uns ins Hinterhaus führte,
     zitterte am ganzen Leib, der jüngere, der zurückblieb und eilig
     hinter uns die Türe verriegelte, auf dass kein Kunde hineinkam und
     uns erblickte, verzog sein Gesicht, als wolle er gleich in Tränen
     ausbrechen. Meister Philippe war kalt und höflich und richtete nur
     wenige Worte an die beiden. Ich schwieg. Im Hinterhaus wurden wir eine
     Stiege hinaufgeführt, dann betraten wir eine große Bibliothek.
     Erstaunt blieb ich an der Türschwelle stehen und hätte wohl auch
     einen Ruf der Verwunderung, ja des Lobpreises ausgestoßen, wenn mir
     nicht im letzten Augenblick bewusst geworden wäre, wo ich mich
     befand.
    An der dem Eingang gegenüberliegenden
     Seite waren drei schmale, jedoch sehr hohe Fenster in die Wand
     eingelassen. Durch das Glas ging der Blick ungehindert über die Dächer
     einiger ärmlicher Häuser und die oberen Geschosse des Hotel Dieu
     bis zum gewaltig aufragenden, im Nachmittagslicht rot leuchtenden
     Steingebirge der Kathedrale Notre-Dame.
    »Ein Ausblick, welcher
     der Residenz eines Prälaten würdig wäre!«, rief auch
     Meister Philippe aus, der im hell hereinflutenden Sonnenlicht die Augen zu
     Schlitzen zusammengezogen hatte. »Deine Worte ehren mich, Herr!«,
     antwortete ein Mann, der hastig von einem Lehnstuhl aufgesprungen war, als
     er uns erblickt hatte. Nechenja ben Isaak war vielleicht vierzig Jahre
     alt; ein kurzgewachsener, rundlicher Mann in ledernem Wams und wollenen
     Beinkleidern. Hätte nicht auch er den gelben Flicken getragen, ich hätte
     ihn nicht von einem Christenmenschen unterscheiden können. Doch kaum
     hatte er erkannt,

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