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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Paris. Dort wollte ich sehen, ob ich das Rätsel der
     Abreise zu lüften vermochte. So dankte ich denn dem Alten, segnete
     ihn und eilte davon.                     
    Zunächst wandte ich mich
     zur Rue Saint-Denis, schließlich bog ich ab zum Katzenplatz. Dort,
     wo noch ein paar Wochen zuvor die Trödler aus ganz Frankreich ihre
     schäbigen Waren feilgeboten hatten, hatten sich nun Bauern, fahrendes
     Volk und wohl auch viele Bürgersleute aus anderen Städten
     niedergelassen. Mann und Weib, Alt und Jung lagerte hier ohne Rücksicht
     auf den Stand und die Schicklichkeit. Decken, leere Getreidesäcke und
     altes Stroh dienten überall als Schlafstatt, dazwischen standen
     Handkarren und abgespannte Ochsenwagen, hoch beladen mit Säcken,
     Kisten und allerlei Mobiliar. Es stank nach Kot, Urin und all den anderen
     Ausdünstungen von Menschen, die sich seit Tagen in der Sommerhitze
     nicht mehr vom Fleck gerührt hatten. Kleine Kinder schrien, ich hörte
     Dirnen lästerlich fluchen und Männer aufrührerische Reden
     schwingen. Doch noch machte jedermann mir Platz, als ich mit wehender
     Kutte durch die Menge eilte.
    Hinter einem der mit
     Habseligkeiten überladenen Karren blieb ich stehen und beobachtete
     das »Haus zum Hahn«. Prachtvoll stand es da wie eh und je
     — so, als könne das menschliche Gewühl und Elend vor
     seinen Mauern ihm nichts anhaben. Ich hatte erwartet, Diener und Matrosen
     hinein- und hinauseilen zu sehen, beladen mit Vorräten und vielleicht
     sogar schon dem Gepäck des Reeders und seiner Gattin. Ich hätte,
     so hatte ich es mir auf meinem Weg vom Hafen kommend zurechtgelegt, einen
     dieser Diener auf dem Platz angesprochen, ihn unauffällig an einen
     Ort geführt, wo uns niemand sah, und mit der Strenge des Inquisitors
     befragt.
    Doch nun stand ich ratlos
     hinter dem Karren und wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Da mir nichts
     Besseres einfiel, nahm ich mir vor, zunächst einmal zu warten. Hätte
     ich nur Geduld, würde ich früher oder später sicherlich
     jemanden erblicken.
    Doch es kam genau
     andersherum: »Seht an, der junge Mönch! Wie freue ich mich,
     Euch endlich wiederzusehen, Bruder Ranulf!«, ertönte eine
     Stimme hinter mir.
    Erschrocken fuhr ich herum
     — und stand vor Klara Helmstede. Die Reedersgattin hatte sich einen
     schlichten, braunen Schleier übergeworfen, sicherlich deshalb, um auf
     dem Katzenplatz kein unnötiges Aufsehen zu erregen mit prachtvollen
     Gewändern und funkelndem Geschmeide. Sie war wieder allein unterwegs,
     kein Diener, keine Magd war bei ihr. Unter dem Schleier drängte sich
     machtvoll ihr blondes Haar hervor, ihre blauen Augen blitzten mich spöttisch
     an und ihr weites Gewand trug sie so locker, dass ich unwillkürlich
     auf die helle Haut unterhalb ihres Halses starren musste. »Pax vobiscum«, murmelte ich verwirrt.
    Da lachte sie wieder, so
     laut, dass es mir peinlich war, hier auf dem Platz, wo uns doch jeder
     sehen mochte. »Frieden, ja Frieden hätten wir alle gerne!«,
     rief sie.
    Ich beschloss, mich weder zu
     rechtfertigen, noch lange um den heißen Brei herumzureden. »Warum
     wollt Ihr Paris verlassen?«, fragte ich. »Und wohin?«
    »Immerhin«,
     erwiderte sie und wurde ernst, »das ist Euch nicht entgangen.«
    Dann blickte sie mich
     forschend an. »Ihr seid nicht zufrieden mit dem, was Ihr schon
     wisst, junger Inquisitor, habe ich Recht? Ihr wollt mehr wissen von meinem
     Gatten, von meinem Schwager und seiner letzten, verfluchten Fahrt auf
     dieser Kogge - und von unserem neuen Ziel.«
    Ich neigte mein Haupt und
     verzichtete auf eine Antwort. »Nun gut«, sagte sie. »Erweist
     mir die Ehre und nehmt ein frühes Abendmahl im ›Haus zum Hahn‹
     mit mir ein, dann werde ich Euch ein paar Geschichten erzählen, die
     Euch gewiss zu denken geben werden.«
    »Ich soll mit Euch ins
     Haus kommen?«, stammelte ich - zu verblüfft, um in diesem
     Moment an meine Würde zu denken. Da lachte Klara Helmstede wieder ihr
     beunruhigendes, fröhliches, auffälliges Lachen. »Ja,
     Bruder, Ihr sollt mit mir ins Haus kommen! Oder wollt Ihr, dass ich Euch
     hier auf dem Katzenplatz alles erzähle? Oder dass wir uns in die nächste
     Taverne setzen, um sauren Wein und die Blicke des fahrenden Volkes zu
     genießen?«
    So zögerte ich nur kurz
     — dann schlug ich meine Kapuze hoch und folgte Klara Helmstede zum
     Haus. Der Drang, endlich das Geheimnis der Kogge zu ergründen, trieb
     mich. Das

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