Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Santiago sehen wir uns wieder

In Santiago sehen wir uns wieder

Titel: In Santiago sehen wir uns wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Uhde-Stahl
Vom Netzwerk:
»Hihi«, wisperte Amanda, »du weißt doch, der Jakobsweg ist ein besonderer Weg... 700 km Wunder... Nimmst du mich mit? Ich könnte dir mein Haus als Rucksack leihen.« - »Du hast keine Füße und bist langsam, Amanda!« - »Pilger haben Zeit, Bella, und über meinen Schleim krieche ich überall hin. Auch nach Santiago.« - »Hm. Was brauchst du zum Essen? Hoffentlich bist du nicht anspruchsvoll.« - »Am liebsten esse ich Storchschnabelsalat und gelegentlich Apfelmus zum Dessert, das reicht«, sagte Amanda. »Storchschnabelsalat... Apfelmus? Nun gut«, sagte ich, »dann lass es uns miteinander versuchen.«
     
    Ich bücke mich und nehme die Schnecke aus meiner Geschichte. Amanda macht es sich sofort in der Pilgermuschel bequem. Ihr schweres Haus setze ich mir als Rucksack auf den Rücken. Dann stapfe ich los und schiebe mich langsam über den Weg zur Herberge zurück. Jetzt hast du eine Gefährtin, singt es in mir, eine Gefährtin, mit der du reden und lachen kannst. »In Santiago sehen wir uns wieder«, trällert Amanda vergnügt vor sich hin.
     

Villar de Mazarife - Santibáñez de Valdeiglesias
    Mittwoch, 16. Juli
     
    Will mein Bett vorbereiten und mich ausruhen - es steht in einem Durchgangszimmer -, aber die spanischen Mitpilger lassen sämtliche Türen offen und sprechen laut. »Ich werde es ihnen zeigen«, fauche ich wütend. »Du bist eine Kriegerin«, sagt Sylvia, die natürlich wieder vor mir angelangt ist, »das gefällt mir. Die eigenen Grenzen zeigen ohne Schuldgefühle...« - »Das Schwert, siehst du«, sagt Amanda, und ich: »Oh Amanda, wenn sich das Feuer von San Miguel so äußert, werden mich bald alle spanischen Pilger hassen.«
    - »Sind doch nicht alle so. Hast du nicht bemerkt, wie gerade die jungen Männer feinfühlig und warmherzig sind?« - »He, Amanda, wie kannst du das wissen, du da hinten in deiner Pilgermuschel?« - »Vergiss nicht, Bella, d u arbeitest hier. Ich lasse mich tragen und da fällt mir einiges auf.« - »Amanda, hast du die gesehen? Föhn und Lippenstift... mein Frauenherz tanzt!« - »Föhn und Lippenstift auf Pilgersfüßen - hihi, wie im richtigen Leben!« kichert Amanda.
    Wir haben es uns gemütlich gemacht, unter einem Apfelbaum im Innenhof der Herberge, Susanne, Sylvia und die beiden jungen Frauen aus Waldshut. Bärbel und Helen feiern ihr bestandenes Abitur und haben in León den Camino begonnen. Zwischen unseren Füßen spielt das Kätzchen der Hospitalera. Aus der Küche dringt ruhig fließende Meditationsmusik. Im Buch der Herberge lese ich:
    »Hier würd ich’s länger aushalten, aber ich will ja noch weiter nach Astorga. Ich denke manchmal bei mir, es ist schade, dass es am Camino so schöne, ruhige, besinnliche Plätze gibt, die einem dann das Weitergehen erschweren. Aber der Camino will gegangen sein. Glücklich, die hier länger ausruhen dürfen als ich. Glücklich, wer vielleicht wiederkommt. Glücklich, wer in Santiago de Compostela diese heiligen Orte nicht vergisst. Glücklich, wer die Geschenke des Camino dankbar anzunehmen weiß. Vergelt’s Gott!« Darunter den Kommentar einer Silke: »... das Spiel der Zeit... jedes einzelne Ticken der Wanduhr hörst du nur einmal, und wenn du tot bist, hörst du es nicht mehr.«
     

Santibáñez de Valdeiglesias - Santa Catalina de Somoza
    Donnerstag, 17. Juli
     
    Ein wunderbarer Morgen, obwohl ein Turbopilger schon um 4 Uhr durch den Schlafraum rauschte und alle aufweckte. Hügel, Weinberge, Getreidefelder, blauer Himmel mit Lerchengesang, Kühle. Biopause, Textilpause. Jedes Mal überholt mich ein Trüppchen Wanderer mit Gepäck, oder auch ohne. »Amanda, alle überholen uns«, jammere ich, »wir werden nie ankommen...« - »Pssst, Bella, Schnecke verpflichtet«, ist die Antwort. Plötzlich sind zwei Stunden vergangen, und wir sitzen an einem Wegkreuz, unter uns Astorga. »Schau, Amanda, die Berge von übermorgen sind bedrohlich näher gekommen.«
    Astorga, eine Stadt mit Läden und allem, was man so braucht. Meine Kauflust reaktiviert sich. Ich erstehe zehn Nescafé-Beutel, Arnikacreme für die Füße, Pflaster und ein neues Notizheft. Der Versuchung Nummer fünf anheimfallen und E-Mails anschauen! »Und die anderen?« fragt Amanda. »Die Versuchungen des Jakobswegs willst du wissen? Die erste: Du gehst zu schnell, die zweite: Du gehst zu lange, die dritte: Du gehst zu oft mit anderen, die vierte: dein Handy...« - »Ach, das ist dieses Gebimmel immer und überall? Neulich nachts hat es noch um 23 Uhr

Weitere Kostenlose Bücher