In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
Jungfernstieg hinzogen, und spazierte an der Binnenalster entlang. Hier herrschte noch reges Treiben: Mit Touristen beladene Dampfer zogen ihre Bahnen, in der Mitte der quadratischen Wasserfläche stieg eine Wasserfontäne wegen des fehlenden Windes kerzengerade in die Höhe. Theo ließ sich auf einer Bank nieder und zog sein Handy hervor. Er zögerte kurz, dann wählte er Hannas Nummer. Es tutete lange. Als er schon aufgeben wollte, hörte er ihre Stimme.
»Hanna Winter.«
»Hanna, was treibst du gerade?«
»Oh, ich sitze hier auf meinem Balkon und arbeite an einer kleinen Geschichte.«
»Ich hätte was Besseres zu bieten.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Mitnichten«, sagte er, »ich spreche von einer besseren Story.«
»Lass hören.«
Theo grinste. Er wusste inzwischen, wie man Hanna ködern konnte. Für eine gute Geschichte war sie jederzeit zu haben. »Ich habe in den letzten Tagen zwei Tollwuttote gehabt.«
»Ach was.«
»Wie es scheint, Opfer von Fledermausattacken. Aber«, er machte eine Pause, um die Spannung zu erhöhen, »ich glaube, es steckt mehr dahinter.«
Hanna schwieg.
»Sollen wir uns nicht treffen? So in einer halben Stunde bei Bodo’s Bootssteg?«
»Na gut, ich komme rüber.«
Bingo!, dachte Theo. »Bis gleich.«
Bodo’s war ein kleines Restaurant an der Außenalster mit angeschlossenem Bootsverleih. Hier bekam man griechischen Bauernsalat und hausgemachte Frikadellen serviert – und ein gutes Glas Wein. Theo brauchte keine zwanzig Minuten, um hinüber zum Rothenbaum zu spazieren.
Hinter der Kennedybrücke veränderte sich der Charakter der Alster komplett. Die Außenalster war um ein Vielfaches größer als die Binnenalster und von schilfgesäumtem Ufer und großzügigen, mit alten Bäumen bestandenen Grasflächen umgeben. Wahllos verteilten sich hier schwere hölzerne Sessel, in denen Spaziergänger gemütlich die Sonne genießen konnten. Jogger drehten ihre Runden und betuchte Anwohnerinnen führten, diskrete Plastikbeutelchen zum Entsorgen des Kots in den Jill-Sander-Handtaschen, ihre Prachthunde spazieren. Theo dachte an Paul. Dem Mops würde es hier auch gefallen.
Er fand noch einen Platz direkt am Wasser und schaute den Segelbooten zu, die in der leichten Abendbrise Mühe hatten voranzukommen. Ein paar professionell aussehende Rudervierer lieferten sich ein kleines Wettrennen. Er zog das Mobiltelefon heraus und tippte auf die Kurzwahl von Lars.
»Na, Alter«, fragte der, »wie ist es gelaufen mit unserer Schneekönigin?«
»Nathalie hat natürlich abgewiegelt und getan, als würde ich Blödsinn erzählen. Aber ich bin sicher, sie hat Angst.«
»Dazu hat sie auch allen Grund.«
»Allerdings.«
»Na, dann wirst du dich wohl doch aufraffen müssen.«
»Zu was?«
»Schon vergessen? Morgen? Abitreffen!«
Theo stöhnte. Er hatte dazu nicht die geringste Lust.
Aber die Tatsache, dass sie dort vielleicht den Mörder aufspüren könnten, änderte die Lage natürlich. »Kann Hadice das nicht übernehmen? Die ist doch Profi …«
»Nope.« Theo hörte, wie Lars sich raschelnd durch den Zweitagebart fuhr. »Hadice ist drei Jahre vor dem Abi umgezogen. Die steht nicht auf der Liste.«
Er bemerkte Hanna erst, als sie vor ihm stand. Sie schob die Sonnenbrille in die Locken und gab ihm einen flüchtigen Kuss.
Er hielt ihre Hand fest. »Und, kannst du mir noch mal verzeihen?«
Sie fand, dass er kleinlaut klang. Zu Recht. »Besonders toll war diese Geschichte ja nicht.«
Sie hatte seit dem Vortag viel darüber nachgebrütet. Ihre Nachbarin und gute Freundin Carola hatte gesagt: »Natürlich ist das verletzend, dass er, während du weg warst, etwas mit einer anderen hatte. Aber er hat schon recht – ihr wart ja nicht offiziell ein Paar. Insofern kannst du ihm auch nicht vorwerfen, dass er dich betrogen hätte.«
»Aber es kränkt mich einfach, dass er nicht so verliebt in mich war, dass er an anderen Frauen kein Interesse hatte.«
»Du musst dir überlegen, ob du ihn noch haben willst, Süße. Und wenn ja, dann musst du diese Episode abhaken.«
Sie hatte sich entschieden, es noch einmal mit ihm zu versuchen. Von dem verflixten Theo kam sie so schnell nicht los.
»Vermutlich komme ich drüber weg.« Es sollte leichthin klingen, doch ihr schiefes Lächeln verriet, dass sie noch nicht ganz so weit war. »Und nun raus mit deiner ominösen Tollwutstory.«
Theo berichtete.
Wie erwartet war Hanna sehr interessiert. »Ist ja gruselig«, sagte sie. Sie leckte sich die
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