In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Thomassine mit drei, vier dickwanstigen Bürgern teilen mußte, den geilen Kanonikus gar nicht gerechnet. Leider war es von allem Glück, das mir auf Erden zufiel, das kürzeste und endete in schlimmer Weise.
Wie Fogacer es vorausgesehen, wurde nach Rondelets Tod Doktor Saporta zum Kanzler der Medizinschule gewählt, und Ende September begab ich mich, von Fogacer begleitet, aus dem erwähnten Grunde zu ihm.
Obwohl er sehr betucht war, lebte Saporta, der Marane war und Hugenotte, knausriger als sonst ein Arzt in dieser Stadt; er bewohnte ein schäbiges Haus in der Rue du Bras-de-Fer, die so abschüssig war, daß sie in Montpellier
la devalada
hieß: kein Reiter und kein Fuhrwerk wagte sie zu nehmen, und es hätte eine stille Gasse sein können ohne die lärmenden Buben, die hier den ganzen Tag tollten und sich auf Brettern, daran kleine Holzräder befestigt waren, bäuchlings von oben in die Tiefe gleiten ließen, gar mutig, denn oft prallten sie gegen eine Mauer, so daß ihr Wägelchen in Stücke krachte und sie sich Schürfwunden und Beulen holten.
Dieses Getümmel machte ohrenbetäubenden Lärm. Ihm folgte, wenn die Knaben zu Bett gingen, ein anderer, noch schlimmerer Lärm: das Fluchen, Streiten, Raufen sowie die säuischen und gotteslästerlichen Lieder, die aus der Taverne
Zum goldenen Kreuz
hallten, in welcher Spelunke die ganze Nacht lang alles versammelt war zum Saufen, Würfeln, Huren, was die Stadt an Lumpenkerlen und Lustdirnen aufzuweisen hatte.
In diesem Höllenlärm und in dieser übelbeleumdeten Straße – übler denn die Rue des Etuves, wo die Dirnen ihrem Gewerbe nachgingen – lebte bei Nacht und am Tage der Kanzler unserer Schule. Doch er ertrug die Unbequemlichkeiten geduldigen Herzens, weil er in selbiger Straße, Nummer 32, ein sehr schönesBallspielhaus besaß, welches Unternehmen er beständig im Auge haben wollte, des Gewinns wegen, den er daraus zog.
Während ich den Sommerkurs von Doktor Saporta besuchte, hatte ich den schrecklichen Professor von fern schon gesehen; auch im Ballspielhaus hatte ich ihn mehr als einmal gesichtet, wenn ich den Schläger gegen Fogacer schwang. Hier hatte Doktor Saporta, nach kurzem Blick auf die Spieler und ohne das kleinste Lächeln für Fogacer, der ihn mit tiefer Verbeugung grüßte, jedesmal mit dem Platzwart verhandelt und sich Rechnung über die Einnahmen geben lassen.
Nachdem Fogacer an die niedrige Haustür geklopft, dauerte es geraume Zeit, bis Schritte zu hören waren. Ein Spähfensterchen mit robustem Eisengitter tat sich auf, dahinter uns mit hartem Blick verrunzelte Augen musterten.
»Was wollt Ihr?« fragte eine rauhe Stimme, von der ich nicht hätte sagen können, ob es die Stimme einer Frau oder eines Mannes war.
»Ich bin Bakkalaureus Fogacer, und dies ist Monsieur de Siorac. Der Kanzler erwartet uns.«
Hierauf schloß sich das Fensterchen, die Schritte entfernten sich, und wieder verstrich viel Zeit.
»Fogacer, soll dies nun das Zuhause eines reichen Mannes sein?« fragte ich enttäuscht.
»Reich ist er ganz gewiß. Er hat mehr Geld als Dekan Bazin, Doktor Feynes und Doktor d’Assas zusammen (diese Ärzte waren – mit dem Kanzler – die vier königlichen Professoren unserer Schule). Saporta besitzt Weinberge, Weiden, Mühlen, Getreidefelder, das Euch bekannte Ballspielhaus, Anteile im Seehandel, außerdem mehrere sehr schöne Häuser in Montpellier, die er an Adlige vermietet, dagegen er sich mit dieser schlichten Hütte bescheidet.«
»Ist’s nicht ein Jammer, daß ein Mann, der so reich ist, so schlecht lebt?«
»Lebt er schlecht?« fragte Fogacer. »Ihr vergeßt die Wonnen des Geizes, die einem Knicker mehr bedeuten als andere Genüsse, Eure Sinnenlust eingeschlossen.«
»Für die er aber doch empfänglich ist«, wandte ich ein, »wenn er Typhème heiraten will.«
»Ach was, er will nur Kinder von ihr, denen er seinen Besitz vermachen kann, weiter nichts.«
»Wie soll ich das glauben? Sie ist sehr schön.«
»Das mögt Ihr so sehen, Siorac, weil Ihr den Weiberrock zum Götzen macht, obwohl Ihr Hugenotte seid. Für Saporta ist das Geld der Götze, Typhème aber nur eine Tochter aus gutem Hause, die ihm reiche Mitgift einbringt und ihm die Nachkommenschaft sichert. Jeder läuft eben seinem Götzen hinterdrein: Ihr den Mädchen, er dem Gold.«
»Die arme Typhème tut mir leid, wenn sie in solcher Behausung mit diesem Knausergesicht leben soll«, sagte ich leise.
»Bedauert sie, aber geht nicht so weit, sie zu
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