In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
beruhigt. »Und wenn Ihr, Moussu, Eure
malenconie
habt, ist da keine irdische Frau, die Euch trösten könnte? Man erzählt, Ihr steht hoch in der Gunst der Thomassine.«
Dies hatte ich nicht gewärtigt. Ich fühlte mich glatt überrumpelt und verstummte baß. Doch hielt ich sie weiterhin fest. Und weil ich nicht Erwiderung wußte, seufzte ich tief.
»Ihr seufzt«, sagte sie mitfühlend. »Habe ich Schlimmes gesagt? Habe ich Euch beleidigt?«
»Keineswegs, Fontanette«, sagte ich, den Blick hebend. »Ich schaue den Mond an und weiß jetzt, daß die Mondgeliebte nicht kommen wird, sie hat anderswo Futter gefunden, und nun bin ich hier nackt und einsam, von niemandem geliebt.«
»Ha, Moussu, sagt das nicht! Ihr werdet hier gehätschelt! Zwar seid Ihr nicht so hübsch wie Euer Bruder Samson, der aber ist ein Träumer und merkt kaum, daß er lebt. Ihr dagegen fühlt Euch ganz hier und lebendig, seid keck und wißt Eure Zunge so gut zu gebrauchen, daß Ihr die armen Mädchen mit Mondgeschichten leimt …«
»Fontanette«, sagte ich ehrlichen Herzens, nun nicht mehr schwätzend und spöttelnd, »ich leime dich nicht. Ich liebe dich in großer Freundschaft, und ich verzehre mich nach dir, wie du es dir nicht vorstellen kannst.«
»O ja!« rief sie, und ihre Augen leuchteten im milden Mondlicht. »O ja, ich kann es mir gut vorstellen, denn ich verzehre mich genauso nach Euch! Seit Ihr hier seid, Moussu, und ich immerzu an Euch denken muß, dreh und dreh ich mich jede Nacht, die der Teufel werden läßt, wälze mich tausendmal hin und her im Schlaf, daß mein Bettzeug davon ganz verwurstelt ist! Heilige Muttergottes, was für Fieberschauer, was für Seufzer, welch Gewälze!«
Dies sagte sie so schlicht, daß ich ganz gerührt war von ihrer Naivität, mit der sie ihre Bastionen und Schutzwehre eigenhändig abbaute. Und wie sehr ich auch versucht war, sie in meine Arme zu schließen und auf jenes Mattenstück zu legen, das ich der Mondgeliebten zugedacht hatte, ich tat es nicht, noch nicht, so sehr rührte mich ihre Wehrlosigkeit. Ich bereutegar alle meine Geschichten, die das brave Mädchen geglaubt und doch nicht geglaubt hatte.
»Moussu«, sprach sie, »Moussu, Ihr sagt ja gar nichts?«
»Fontanette«, raunte ich und nahm ihre Hand, »was soll ich dir sagen: die Krankheit, die uns beide peinigt, ist ganz einfach zu heilen.«
»Ha!« seufzte sie, »Ihr habt gut reden. Ihr seid ein Mann, ein Edelmann. Ich aber ein Mädchen, ein Kammermädchen gar, von der Dame Rachel bespäht wie die Feldmaus vom Falken, ich riskiere meine Stellung, und schlimmer noch: ich könnte schwanger werden.«
»Dagegen kenne ich Kräuter und weiß, wie du sie anwenden mußt«, sagte ich ihr leise ins Ohr. »Ein verläßliches Mittel, das ich von meinem Vater habe.«
Ihr so ganz nah jetzt, drückte ich einen kleinen Kuß auf das niedliche Ohrläppchen, dann noch einen, dann knabberte ich leicht daran, daß sie lachen mußte. Und lachend schmiegte sie sich in meine Arme, neigte ihr hübsches Köpfchen nach rechts, nach links, bot ihren Hals in Gänze meinen Küssen dar.
»Ah, Moussu, was tun wir!« sagte sie, als ich sie nach diesen Zärtlichkeiten an meiner Seite hinstreckte. »Ich teile Euer Lager! Das ist große Sünde!«
»Du wirst es deinem Pfarrer beichten.«
»Oh, nur ja nicht! Der erzählt es brühwarm der Dame Rachel.«
»Dann sag es einem anderen Priester …«
»Ich kenne keinen andern. Ah, Moussu, wenn es nicht Sünde wäre, wie gern würde ich es mögen. Es ist aber große Sünde, und ich mag nicht, ich mag nicht!«
Und indes das schwarze Haar sich wie eine Aureole um ihr niedliches Gesicht schmiegte, murmelte sie bei jedem Kuß leise »ich mag nicht« und hätte es mir dennoch verübelt, wenn ich innegehalten hätte, so daß am Ende – dank auch dem Mond und der Stille und den lauen Lüften – sie die Meine wurde und ich der Ihre.
Allerdings irrt Cicero, wenn er behauptet:
Ignoratio rerum futurarum malarum utilior est quam scientia
1
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Denn hätte ich damalsum die unheilvolle Verkettung der Folgen gewußt, die sich daraus für Fontanette ergeben sollten, ich hätte sie mit Gewalt zurückgestoßen, als sie in meine Arme drängte (und ich in die ihren, denn Magnet war sie so sehr wie ich und unwiderstehlich die Anziehungskraft, die unser jugendliches Alter barg).
Wie auch hätte ich es nicht wunderbar finden sollen, daß ich als erster ihre Knospe aufbrach und daß ich sie ganz für mich hatte zu einer Zeit, da ich die
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