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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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hinwegkommen. »Häng dein Herz nicht an einen Mann, der deine Gefühle nicht erwidern kann, Ozami«, bat er. »Ich bin sicher, du wirst eines Tages jemanden finden, der deine Zuneigung mehr verdient als ich.«
    Als Antwort erhielt er nur lautes Schluchzen. Das Mädchen wirbelte auf dem Absatz herum und rannte in die Dunkelheit davon.

    * * *

    Am Ende des neunten Monds setzte Ishira ihren Fuß endlich wieder auf heimatlichen Boden. Es war bereits weit nach der Sperrstunde, als sie in Soshime ankamen, so dass sie an diesem Abend nicht mehr ins Dorf konnte und noch einmal im Fort übernachten musste. Sie trug es mit Fassung. So sehr sie sich danach sehnte, Kanhiro und ihren Bruder wiederzusehen: auf diesen einen Tag kam es auch nicht mehr an.
    In der Schreibstube des Kouran wartete ein Brief des Hemak auf Kiresh Yaren. Er nahm ihn mit einem knappen Nicken entgegen und steckte ihn in seinen Waffenrock, ohne ihn zu öffnen. Sicherlich enthielt das Schreiben neue Anweisungen. In Soshime war es schon fast wieder Zeit, die Kristalladern zu trennen, und danach würden sie vermutlich erneut durch Rosho reisen – auf derselben oder einer ähnlichen Route wie beim letzten Mal. Ishira gab sich jedenfalls nicht der Illusion hin, dass sie diesmal länger in Soshime verweilen könnte als beim letzten Besuch.
    Wie gewohnt schickte der Kiresh sie in der Herberge gleich auf ihr Zimmer – mit dem einzigen Unterschied, dass er ihr das Essen eine Weile später selbst nach oben brachte. Erstaunt nahm sie ihm das Tablett aus der Hand. Als ihre Finger dabei versehentlich seine streiften, beschleunigte sich ungewollt ihr Herzschlag. Der Kiresh zog seine Hand so schnell zurück, dass ihr das Tablett um ein Haar entglitten wäre. Zum Glück enthielt die Schüssel keine Suppe, sondern gebackene Asagiteigtaschen. Lediglich die Teekanne schwappte über und hinterließ eine kleine Pfütze auf dem dunklen Flechtwerk.
    Nachdem Ishira das Tablett ausbalanciert und sich bedankt hatte, wartete sie nervös darauf, dass ihr Begleiter zu seinem eigenen Zimmer weitergehen würde. Doch er machte diesbezüglich keine Anstalten. Schweigend stand er da, den Blick auf den Türrahmen gerichtet. In Ishiras Magengrube begann es nervös zu kribbeln. Worauf wartete er?
    Sie sah, wie er Luft holte. »Darf ich hereinkommen? Ich muss mit dir reden.«
    Ihre Unruhe wuchs. Was konnte er mit ihr zu besprechen haben? Langsam trat sie einen Schritt zurück, um ihm Platz zu machen. Kiresh Yaren ging bis zur Mitte des Raums und blieb dort stehen. Als er sich zu ihr umwandte, wirkte es fast ein wenig unbeholfen. Wieder schwieg er eine Weile, bevor er sich umständlich räusperte. »Wir werden hier bleiben, bis beide Kristalladern getrennt sind«, bestätigte er, was sie bereits vermutet hatte. Erneutes Stocken. »Der Hemak wünscht, dass du während dieser Zeit hier im Fort schläfst, nicht im Dorf.«
    Ishira starrte ihn an. »Wollt… wollt Ihr damit sagen, dass ich nicht zu meiner Familie darf?« fragte sie entsetzt.
    Er blickte an ihr vorbei. »Nicht ganz. Es ist dir erlaubt, in meiner Gegenwart mit deiner Familie zu sprechen.«
    Ishiras Kehle schien auf einmal zu eng, um Atem zu holen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! »Warum?« flüsterte sie.
    Kiresh Yarens Kiefer spannte sich an. »Der Hemak schuldet dir für seine Entscheidungen keine Erklärung.«
    Sie senkte den Kopf, den Tränen nahe. Nein, natürlich nicht. Ihr Magen zog sich zu einem schmerzhaften Klumpen zusammen. Plötzlich musste sie daran denken, wie ihr Bruder ihr bei ihrer letzten Unterhaltung an den Kopf geworfen hatte, dass die Gohari sie im Grunde wie eine Gefangene behandelten und sie nur einfach zu naiv war, es zu merken. Damals hatte sie es nicht wahrhaben wollen, aber jetzt musste sie eingestehen, dass er Recht gehabt hatte. Und Kanhiro ebenfalls. Wie eine Schlafwandlerin ging sie zum Tisch und stellte das Tablett ab, bevor sie sich aufs Bett sinken ließ und die Arme um sich schlang. Sie wünschte nur, ihre abgehackten Atemzüge hätten nicht ganz so sehr nach Schluchzern geklungen.
    Als sie direkt vor sich Schritte hörte, blickte sie unwillkürlich auf. Kiresh Yaren stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster. Seine steife Haltung drückte deutlich sein Unbehagen aus. »In letzter Zeit gab es vereinzelt Unruhen in den Bergwerkssiedlungen«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Der Hemak will sichergehen, dass hier nicht etwas Ähnliches passiert.«
    Ishira blinzelte überrascht. Unruhen? Also

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