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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Indien. Und eines Tages wird Indien frei sein und nicht mehr unter dem Joch europäischer Eroberer mit besseren Waffen leiden.«
    »Das wird zweifellos geschehen, aber nicht mehr in Eurer Lebensspanne.«
    »Seien Sie nicht so sicher, Falkirk. Wer hätte geglaubt, daß die Briten aus Afghanistan vertrieben werden würden, wie es jetzt geschehen ist?«
    In Ians Kopf schrillten Warnsignale. Der Maharadja sprach nicht theoretisch, sondern wie jemand, der bereits etwas im Hinterkopf hatte. »Die Situation war eine andere«, sagte Ian in absichtlich neutralem Tonfall. »Für die meisten Inder ist ein ausländischer Herrscher so gut wie der andere. Die Briten sind nicht fremder als die Mogule, als sie damals kamen. Die Männer dienen dem Sirkar mit Stolz. Zur Armee der Company melden sich mehr Freiwillige, als sie aufnehmen kann. Doch die Afghanen haben die briti-sche Präsenz von Anfang an gehaßt. Es ist nicht erstaunlich, daß sie rebelliert haben.«
    Rajiv Singh wirbelte herum und antwortete mit einer langsamen, gefährlichen Stimme. »Wenn der Sirkar nicht mehr in meiner Lebensspanne verschwindet, dann kehre ich wieder und wieder, bis es soweit ist, Falkirk. Ich schwöre, daß ich einer der Männer sein werde, die unserem Land zur Freiheit verhelfen.« Dann wurde sein Tonfall wieder leichter. »So funktioniert die Wiedergeburt: Wir müssen uns immer wieder bemühen, bis wir es richtig machen.«
    »Ich hoffe, daß die Hindus recht haben«, sagte Ian mit trockenem Humor. »Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die ich in diesem Leben wohl nicht schaffe.«
    Die Atmosphäre zwischen ihnen entspannte sich, und als einer der Tiger aufstand, blickten beide zu dem Raubtier hinüber. Es streckte sich genüßlich und gähnte, wobei es seinen enormen Rachen und die erstaunlich langen Zähne enthüllte. Dann trollte es sich träge durch das Gras zum Wasserloch und ließ sich so harmlos wie eine Hauskatze hineingleiten.
    »Dieser Tiger hat mindestens dreizehn Dorfbewohner getötet, bevor er gefangen und hierher gebracht wurde«, sagte der Rajpute nachdenklich. »So, wie sich die Situation entwickelt hat, ist es ohne Zweifel ein Glück, daß Sie mein Angebot abgelehnt haben und Indien verlassen werden. Wie der Tiger könnten Sie sich als gefährlicher erweisen, als Sie aussehen.«
    Die Andeutung war leicht beunruhigend, und Ian wünschte, er wüßte, was im Kopf des Maharadjas vorging. Gewiß war es nichts, was das Wohl des Sirkars förderte. Um die Unterhaltung auf dem entspannten Niveau zu halten, sagte Ian nur: »Wie der
    Tiger möchte ich auch lieber mit meiner Gefährtin in der Sonne dösen als zu kämpfen.«
    Rajiv Singh schien zu finden, daß sie genug von Politik gesprochen hatten, und setzte den Spaziergang fort. »Im nächsten Gehege sind sehr seltene chinesische Bären, die Pandas heißen. Sie fressen nichts außer Bambussprossen. Ich hatte gehofft, daß sie sich vermehren würden, aber sie scheinen nicht zu wollen.«
    Ian machte eine witzige Bemerkung, und sie gingen weiter. Doch seine Gedanken kehrten immer wieder zu der Frage zurück, was der kluge Maharadja wohl planen mochte.
    Nachdem Ian fortgegangen war, schrieb Laura eine Nachricht an Kamala, in der sie ihr mitteilte, daß die Bemühungen, mit ihrem Mann eine intimere Beziehung aufzubauen, ein voller Erfolg geworden waren. Dann warf sie noch einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Ausgabe des Kamasutra, die ihr die Maharani überlassen hatte, und wandte sich wieder Pjotrs Tagebüchern zu. Die Papiere durchzugehen, hatte sich als spannend und faszinierend erwiesen, und sie freute sich darauf, sie richtig übersetzen zu können. Dennoch hatte sie nichts gefunden, was sich auf seine Arbeit in Indien bezog. Aber Laura wollte nicht einfach aufgeben und suchte weiter.
    Es war praktisch Zufall, daß Laura das Papier überhaupt entdeckte. Pjotrs indisches Tagebuch war das erste gewesen, das sie durchgesehen hatte, aber es enthielt nur unschuldige Reiseberichte, keine Informationen über geheime Missionen. In der Hoffnung, vielleicht doch mehr zu finden, entschied sie, es noch einmal, und diesmal sorgfältiger, durchzugehen.
    Nachdem sie etwa ein Viertel bewältigt hatte, fand sie ein Stück Papier, das zusammengefaltet als Lesezeichen benutzt worden war. Mehr aus dem Bedürfnis nach Gründlichkeit als in der Hoffnung, etwas zu finden, strich sie die Seite glatt.
    Eureka. Wenn sie nicht schon daran gewöhnt gewesen wäre, Pjotrs krakelige Gefängnishandschrift mit all den

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