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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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schon, dass wir dann sechs Wochen lang Sommerferien haben, oder?«, erinnerte Sonja sie. »Sechs Wochen, in denen du ihn nicht jeden Tag in der Schule siehst. Da kann viel passieren.«
    Ines stellte die Bowle in den Kühlschrank. Sie wollte nicht mehr über Karol reden.
    Â»Sei doch nicht so ein Sturkopf«, schimpfte Sonja. »So eine Gelegenheit wie das Schulfest wird es nicht wieder geben. Du
musst
ihn einfach küssen!«
    In diesem Augenblick platzte Julian in die Küche.
    Â»Wer muss wen küssen?«
    Schelmisch grinste er die Freundinnen an.
    Sonja beugte sich zu ihm herab.
    Â»Na, du mich! Auf den Mund, bitte schön.«
    Sie deutete auf ihre Lippen.
    Julian verzog das Gesicht. »Bäh, pfui! Ich küsse doch keine Mädchen.«
    Â»Dann verzieh dich«, befahl Ines. »Wir sind beschäftigt.«
    Beleidigt sah er zu Boden. »Du scheuchst mich die ganze Zeit weg. Dabei habe ich dir überhaupt nichts getan.«
    Er rannte aus der Küche und knallte die Tür zu.
    Â»Was ist dem denn über die Leber gelaufen?« Sonja goss sich ein Glas Saft ein und leerte es in einem Zug.
    Â»Wir vernachlässigen ihn«, gab Ines zu. »Seit Oma verschwunden ist, kriegen meine Eltern nichts mehr auf die Reihe.«
    Sonja stellte das Glas ab. »Aber das ist doch prima! Dann reden sie dir nicht rein, was du morgen anziehen sollst.« Sie zupfte Ines am T-Shirt. »Wir schauen uns jetzt mal deinen Kleiderschrank an, Süße. Damit Karol was zum Staunen hat.«

36.
    Sie verbrachten eine geschlagene Stunde damit, ihre Klamotten aus dem Schrank zu zerren, Kleider anzuprobieren und sich vor dem Spiegel probeweise zu schminken. Um halb neun klopfte dann Carmen an die Tür und schickte Sonja nach Hause.
    Â»Das wird ein toller Tag«, schwärmte Sonja, als sie sich verabschiedeten. »Du wirst sehen.«
    Aber kaum war sie weg, wusste Ines erst recht nicht, was sie anziehen sollte. Sie fand ihre Kleider auf einmal alle langweilig. Die hatte sie doch schon hundertmal getragen! Das kam davon, weil Carmen kaum noch mit ihr einkaufen ging.
    Ich will morgen gut aussehen, nahm sich Ines vor. Nicht wegen Karol … na ja, vielleicht ein bisschen wegen ihm.
    Eigentlich wollte sie nicht mehr an ihn denken. Es verletzte sie, dass er sie seit ihrem Treffen kaum beachtete. Aber dann musste sie an das Gespräch mit ihm denken, an die Geschichte von seinem verschollenen Vater, und wie schön es sich angefühlt hatte, seine Hand zu halten …
    Er soll morgen ruhig sehen, dass ich es nicht nötig habe, ihm hinterherzulaufen.
    Ihr Blick wanderte zur Wand, wo die Tür des Refugiums stumm auf sie wartete.
    Und wenn ich mir etwas wünsche? Dass ich morgen das schönste Mädchen auf dem Fest bin? So wie mit den Locken?
    Sie konnte ihre Augen nicht von der Tür abwenden.
    Diesen einen Wunsch kann mir das Refugium ruhig noch erfüllen, beschloss sie. Ich werde es gleich nach dem Fest zurückbringen, was immer es ist. Damit nicht so etwas passiert wie bei dem Buch.
    Sie ging auf die Tür zu und öffnete sie.
    Innen war es dunkel, der Vorhang zugezogen.
    Wie in meinem Traum, dachte Ines.
    Sie tastete nach dem Drehschalter. Flackernd sprang über ihr die Lampe an.
    Ihr Herz blieb fast stehen, als sie neben dem Sessel eine Gestalt entdeckte.
    Zum Glück war es nur eine alte Kleiderpuppe, etwa so groß wie Ines, mit Gliedern aus braunem Kunststoff und Draht. Der Torso besaß keinen Kopf und steckte auf einem Messingstab.
    Die Puppe wurde teilweise vom Sessel verdeckt, aber Ines war sofort von dem Kleid gebannt, das den Gliedern übergestreift war. Es war das schönste Kleid, das sie je gesehen hatte!
    Ein Stoff, der sich kaum beschreiben ließ – wie Seide, nur nicht so glänzend. Er war dunkelrot, ins Ockerfarbene spielend, und dort, wo die Falten sich rafften, kam ein warmer Orangeton dazu. Wie die Abendsonne. Der Schnitt war frech und abgeschrägt, aber nicht zu wild, und das Kleid hatte wunderschön gemusterte Träger, die selbst die hässlichen Plastikschultern der Puppe hinreißend zur Geltung brachten.
    Das war kein gewöhnliches Kleid. Das war ein Traum. Es konnte nicht echt sein, niemals!
    Ines vernahm das Ticken der Uhr, als sie auf die Puppe zuging. Ihre Hand griff nach dem Stoff. Er fühlte sich kühl und geschmeidig an.
    Â»Ich muss es anprobieren«, flüsterte sie. »Ob es mir passt?«
    Sie löste das Kleid

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