Infernal: Thriller (German Edition)
Behörde bis zur Hölle und zurück verklagen soll.«
Er steht ebenfalls auf, nimmt mich am Arm und führt mich durch das Haus zur Tür. Als wir das Esszimmer passieren, sehe ich zu seinem Porträt von Oscar Wilde.
»Dieses Bild mag ich sehr.«
»Danke.«
Smith greift nach dem Türgriff, doch ich halte ihn auf, indem ich meinen Arm zurückziehe. »Frank, verraten Sie mir eins. Die Pinselhaare haben das FBI zu vier Verdächtigen geführt: Sie, Roger Wheaton, Thalia und Gaines. Wenn Sie sich zwischen Wheaton und Gaines entscheiden müssten, wen würden Sie verdächtigen?«
»Machen Sie Witze? Wurde Leon überwacht, als Thalia verschwand?«
»Ja.«
»Hmmm. Und Roger wahrscheinlich ebenfalls, oder?«
»Ja.« Ein letzter, verzweifelter Gedanke geht mir durch den Kopf. »Hat Wheaton Ihnen je erzählt, ob er als Kind missbraucht wurde?«
Smith seufzt ärgerlich.
»Ich habe einen guten Grund für diese Frage, das verspreche ich.«
»Er hat mir nie von etwas dergleichen erzählt. Und falls Ihre nächste Frage lautet, ob ich etwas Derartiges erlebt habe, dann lautet meine Antwort: Rutschen Sie mir den Buckel runter. Haben Sie verstanden?« Er reißt die Tür auf und tritt beiseite. »Besuchen Sie mich mal wieder.«
Ich gehe hinaus ins bleiche Sonnenlicht und die feuchten gelben Blätter auf der Esplanade, und die Tür schließt sich hinter mir. Es ist lange her, seit ich mich das letzte Mal so schäbig gefühlt habe. Herumspionieren im Privatleben anderer Menschen war noch nie mein Ding. Zwar ist Fotojournalismus im Grunde genommen auch immer ein Einbruch in die Privatsphäre, doch beim Fotografieren wird diese Invasion durch die wunderbare Geschwindigkeit des Lichts gemildert, die einen aus der Distanz eindringen lässt. Keine gemeinen Fragen und kein peinliches Schweigen, nur klick, klick, klick.
Ich wende mich in Richtung Mississippi und setze mich in Bewegung, und ich weiß, dass die FBI-Limousine mit Baxter und Lenz jeden Augenblick neben mir auftauchen wird. Die beiden werden stinksauer sein, weil ich den Stecker gezogen habe, doch das ist mir egal. Ich bin sauer, dass ich in dieser Sackgasse von Untersuchung mitgespielt habe. Wahrscheinlich würde ich mich anders fühlen, wenn die Gespräche dieses Morgens eine Spur ergeben hätten, doch das ist nicht passiert.
Das leise Brummen eines Motors kündigt meine Eskorte an. Die Limousine lenkt zu meiner Linken an den Straßenrand, und als ich nicht stehen bleibe, fährt sie im Schritttempo neben mir her. Baxter betätigt den Fensterheber, und ich sehe Special Agent Wendy Travis hinter dem Steuer. Ihre Anwesenheit verrät mir, dass John für den ganzen Tag anderweitig zu tun hat und dass ich einmal mehr ihren wachsamen Augen anvertraut bin.
»Warum haben Sie das Mikrofon abgeschaltet?«, will Baxter wissen.
»Das wissen Sie ganz genau«, antworte ich und blicke stur geradeaus.
»Was hat er Ihnen erzählt?«
»Er hat mich überzeugt, dass Wheatons Besuche nichts mit dem Fall zu tun haben.«
Baxter wendet sich zum Rücksitz, und ich bin sicher, dass er John bittet, seinen Einfluss zu nutzen, um mich zum Reden zu bringen. Baxter mag es vielleicht nicht, dass ich etwas mit seinem alten Profiler habe, doch er hat keine Skrupel, die Verbindung zu seinen Gunsten einzusetzen. Ich hoffe nur, John lässt sich nicht vor seinen Karren spannen.
Die Limousine hält an, die hintere Beifahrertür öffnet sich, und John steigt aus. Er kommt zu mir, und seine Augen sind voller Sorge.
»Was möchtest du jetzt machen?«, fragt er leise. »Was auch immer du willst, du bekommst es.«
»Ich möchte spazieren gehen.«
»Möchtest du Gesellschaft?«
»Nein.«
»Du glaubst also, dass sowohl Wheaton als auch Smith unschuldig sind, wie?«
»Ja.«
»In Ordnung. Ich fahre jetzt zurück ins Büro und studiere die Luftbildaufnahmen der Höfe und Gärten. Ruf mich an, wenn du möchtest. Wendy hat ein Handy dabei.«
Also werde ich doch Gesellschaft haben.
John drückt meinen Arm, dann gibt er Wendy einen Wink. Sie steigt aus, und ich sehe, dass sie die gewohnte Kombination aus Liz-Claiborne-Rock und Jacke trägt. Unter der Jacke ist die Pistole verborgen. Ich widerstehe dem Drang, eine zynische Bemerkung von mir zu geben – Wendy macht schließlich nur ihren Job, und zwar so gut, wie sie kann. Sie hält sich ein paar Meter hinter mir, als die Limousine sich in den Verkehr einordnet und uns passiert. Während sich der Wagen immer weiter entfernt, sehe ich John, der mich über die
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