Infernal: Thriller (German Edition)
während ich mich mit den Kameras um den Hals an einem Pfosten festgeklammert habe: Sarajewo, Maputo, Karatschi, Bagdad, San Salvador, Managua, Panama City. Die Liste ist endlos, doch die Stadt unter mir ist der Ort, an dem ich meine Karriere begonnen habe, und mir kommt der Gedanke, dass die Symmetrie meines Todes hier in dieser Stadt vielleicht eine große Versuchung für das Schicksal sein könnte. Falls es so ist, dann bin ich bereit, das Risiko einzugehen. Die ruhig daliegende grüne Insel unter mir ist Schauplatz einer verzweifelten Situation, doch in ihrer Lösung liegt auch die Antwort auf die quälende Frage, die mich seit mehr als einem Jahr verfolgt hat.
Der Cockpitfunk knistert und knackst, während ein FBI-Agent im Einsatzzentrum mit einer Karte der Universität die beiden Piloten zu ihrem Landeplatz führt. Der Helikopter sinkt so schnell dem Boden entgegen, dass sich mein Magen unangenehm meldet, und ich frage mich, ob Baxter und John vielleicht an Vietnam denken, während wir tiefer gehen. In der Mitte einer großen Rasenfläche stehen zwei Polizeifahrzeuge mit laufendem Blaulicht, und neben ihnen steht ein matt olivfarbener Huey wie ein Vorbote der Schlacht. Der Hauptrotor dreht sich im Leerlauf. Ich habe mehrere Hueys in der Basis der Nationalgarde neben der FBI-Niederlassung gesehen; vermutlich ist das SWAT-Team mit diesem Helikopter eingeflogen worden.
Ich suche das Geviert nach bewaffneten Männern ab, als der Hubschrauber nach vorne kippt und schließlich mit aufheulenden Turbinen verzögert, um dreißig Meter hinter der führenden Maschine zu landen. John springt aus dem Cockpit und rennt uns entgegen, während Baxter zu den wartenden Cops vom NOPD geht.
»Es sieht nicht gut aus!«, ruft John, während ich aussteige und geduckt unter dem Rotor hervorrenne. »Gaines hat eine männliche Geisel genommen und sich in einem Büro im zweiten Stock verschanzt. Er ist ans Fenster gekommen, um zu zeigen, dass er eine Pistole am Kopf der Geisel hat. Das SWAT-Team ist unter den Bäumen vor dem Gebäude in Stellung gegangen.«
Baxter kommt vom Einsatzwagen herbeigerannt. »Los, gehen wir zu ihnen, John.«
»Wer ist der Unterhändler?«, fragt Dr. Lenz.
»Ed Davis«, antwortet John. »Er ist gut.«
»Das ist keine normale Situation«, sagt Lenz an Baxter gewandt. »Das hier ist kein verzweifelter Ehemann oder ein selbstmörderischer Cop. Das hier ist wahrscheinlich ein Serienmörder. Sie wissen ...«
»Ich weiß, was Sie wollen, Arthur«, unterbricht ihn Baxter brüsk. »Wir besprechen das mit dem Commander des SWAT-Teams.«
»Reden Sie mit Bowles«, sagt Lenz. »Er hat es entschieden.«
Baxter rennt in Richtung eines großen Gebäudes auf der Nordseite des Gevierts, das ich jetzt als das Woldenberg Art Center erkenne. John und ich folgen ihm, und Lenz hechelt hinter uns her. Ich hätte das Gebäude eigentlich bereits aus der Luft erkennen müssen, an den drei gewaltigen Oberlichtern über der Galerie, wo Roger Wheatons raumgroßes Gemälde auf seine erste öffentliche Ausstellung wartet. Aus diesem Winkel besitzt das Gebäude die Form zweier dreistöckiger Ziegelquader, die durch eine einstöckige Sektion mit Säulenvorbau verbunden sind. Wenn ich mich richtig erinnere, beherbergen die klassischen Ziegelbauten Seminarräume, Studios und Büros, während in der einstöckigen Mittelsektion die Galerie untergebracht ist. Gaines befindet sich demzufolge in einem der beiden Ziegelbauten.
Je näher wir dem Komplex kommen, desto schwieriger wird es, ihn zu sehen. Gewaltige, weit ausladende Eichen reihen sich an der Straße vor dem Art Center und verdecken den größten Teil der Fenster. Unter einer der Eichen kauert eine Gruppe von Männern in schwarzen schusssicheren Westen mit gelber FBI-Kennzeichnung auf dem Rücken um einen Lageplan. John kommt als Erster bei ihnen an und beginnt sofort, mit einem der Männer zu sprechen. Baxter nimmt sein Handy und wählt eine Nummer, und Dr. Lenz steht bei ihm. Ich schiebe mich näher heran und lausche dem Bericht, den John vom Einsatzleiter des SWAT-Teams erhält. Er ist ein großer Mann Mitte dreißig mit einem schwarzen Schnurrbart, und ein Namensschild auf seiner kugelsicheren Weste weist ihn als »Burnette« aus.
»Gaines ist im zweiten Stock«, sagt Burnette. »Wenn er sich zeigt, hält er eine Pistole an den Kopf seiner Geisel, aber die meiste Zeit über ist unsere Sicht von Jalousien verdeckt. Es gibt keine Möglichkeit, Scharfschützen zu postieren,
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