Inferno
hier nur die menschlichen Seelen unsterblich?«, fragte Cassie.
»Menschen«, antwortete Xeke. »Und Gefallene Engel. Das war’s auch schon fast.«
»Golems zählen nicht, weil sie künstlich hergestellt werden. Es ist praktisch unmöglich, sie umzubringen, aber sie sind dumm.« Via zeigte auf etwas. »Da ist einer.«
Das Ding stand an einer Ecke, drei Meter groß. Sein aus Flussbettlehm modellierter Körper glänzte feucht im Schwefellicht einer Straßenlaterne. Es schien völlig ohne Empfindung zu sein, wie eine Statue, bis die daumengroßen, leeren Augenlöcher etwas bemerkten. Schnell verschwand die Kreatur in einer Gasse.
»Golems sind sozusagen Straßenbullen, die niedrigste Stufe von Constablern«, sagte Xeke. »Sie werden mit Zaubersprüchen auf das programmiert, wonach sie suchen sollen.«
»Aber hattet ihr nicht gesagt, ihr wärt Flüchtlinge?« Cassie war erstaunt. »Habt ihr keine Angst, dass euch ein Golem jagen könnte?«
»Nö. Sie können keine Personen identifizieren, nur verbrecherische Aktivitäten. XBs wie wir sind vor ihnen sicher. Bei den Schergen liegt der Fall anders, und bei den Rekruten auch. Die haben Gehirne.«
»Die Schergen sind in der Hölle geboren; sie sind die brutalste Dämonengattung. Rekruten sind Kreuzungen aus Oriax und Fledermäusen von den Niederebenen. Aber die meisten von denen werden für die Mutilationstrupps angeworben«, ergänzte Via. »Am gefährlichsten für XBs und andere Flüchtlinge sind die Menschen, welche die Anschlagbretter in den Bezirken lesen. Die Constabler verfügen über ein großes Budget für Spitzel und Verräter. Die Versuchung ist groß, Verrat ist hier eine Lebensart.«
Mehrere Polterratten huschten über die nächste Straße. Sie waren größer als Stadtratten, mit annähernd menschlichen Gesichtszügen. Cassie fiel auch auf, dass ihre Füße eher aussahen wie die Hände menschlicher Säuglinge. »Wenn ein Astralkörper so stark zerstört wird, dass die Seele in einen Schädling oder Proto-Dämon übertragen wird«, sagte Xeke, »dann werden auch einige der menschlichen Körpermerkmale übertragen.«
Via trat eine Dose mit der Aufschrift WIENER TROLL-GEHIRN-WÜRSTCHEN vor sich her. »Polterratten sind wohl das schlimmste Ungeziefer. In ihrem Speichel befindet sich ein Anästhetikum, sodass man nicht aufwacht, wenn sie einen anknabbern. In den Ghettoblocks ist das ein echtes Problem. Du legst dich eines Abends ganz normal zum Schlafen hin, und wenn du aufwachst, ist dein Gesicht weg, oder das Fleisch wurde dir von Armen oder Beinen gefressen und du hast nur noch Knochen übrig. Bapho-Schaben sind auch ziemlich eklig. Sie legen ihre Eier unter deiner Haut ab; die kriegst du nur wieder los, wenn du sie rausschneidest.«
Xeke trat auch gegen eine Dose. Laut Etikett war darin einmal MENSCHLICHES FRÜHSTÜCKSFLEISCH gewesen. »Nicht zu vergessen die berüchtigtste Plage der ganzen Hölle, die Caco-Zecken. Die nisten sich in den Haaren ein, bohren sich durch den Schädel und ernähren sich von deiner Rückenmarksflüssigkeit. Eine einzige Zecke kann einen Menschen in null Komma nichts austrocknen. Dann hat man echt verloren. Aber keine Sorge, unsere Edelsteine schützen uns vor fast allen diesen Dingen.«
Aus irgendeinem Grund fühlte sich Cassie gar nicht so besonders sicher.
Auf manchen Kreuzungen glaubte sie, ein Grollen unter den Füßen zu spüren, Rauch und Feuerzungen quollen aus den Kanalgittern hervor. Aber Xeke und Via erklärten ihr, dass das Fundament der Hölle tatsächlich Schwefel war und dass unterirdische Sektoren seit Jahrhunderten brannten; diese Feuer würden niemals verlöschen. Als sie einen Block weiter eine Straße überquerten, bemerkte Cassie plötzlich, dass sie knöcheltief in einer ekelhaften, warmen Flüssigkeit watete. »Igitt! Was ist denn das?«
»O, sorry. Das hätten wir dir sagen sollen.« Xekes Stiefel stapften weiter durch die Jauche. »Manchmal werden die Feuer unter den Straßen so heiß, dass das Ministerium für Physikalische Anlagen ein Abflussrohr öffnen und in die Straße leiten muss.«
Shannons Trank verhinderte zwar, dass Cassie sich direkt übergab, doch sie war wütend. »Du meinst, wir laufen mitten durch …«
»Satanische Abwässer.«
Ist ja reizend , dachte Cassie. Sie schauderte ob der Flüssigkeit an ihren Füßen. Merken fürs nächste Mal: Keine Flipflops in der Hölle .
Hush tippte sie an und zeigte nach oben. Hinter einigen anderen Gebäuden sah Cassie einen düsteren gotischen
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