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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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ich von dir großzügigerweise hundertfünfzig annehme.« Xeke tat so, als erwarte er weiteres Feilschen, doch der Barkeeper ging einfach wortlos ins Hinterzimmer und tauchte kurz darauf mit einem großen Sack Bargeld wieder auf. »Meine Leute werden sich in die Hosen machen, wenn sie das sehen, und ich krieg eine geile Kommission. Danke, dass du zu mir gekommen bist, Mann.«
    Xeke leerte sein Glas und schnappte sich den Sack. »Kein Problem, Mann. Wenn du das hier nicht rumposaunst, besorg ich dir mehr Kommissionen, als du verkraften kannst.«
    »Soll das heißen, ihr habt noch mehr Knochen?«
    Xeke blinzelte nur und drehte sich zu den anderen um. »Lasst uns abhauen.«
    »Aber ich dachte, ihr hättet Hunger«, erinnerte Cassie. »Warum esst ihr nicht hier?«
    Xeke sah skeptisch auf die Karte. »Bei der Kohle, die wir jetzt haben? Den Dreck würde ich noch nicht mal Via andrehen.« Dann lachte er und klopfte Via derb auf den Rücken.
    »Ach ja? Ich gebe dir gleich was zu …« Doch bevor noch mehr Freundlichkeiten zwischen den beiden ausgetauscht werden konnten, bemerkte Cassie, dass der Barkeeper sie anstarrte.
    »Ach, hey«, sagte er. »Ich hab dich mit den Haaren erst gar nicht erkannt.«
    »Sprichst …« – Cassie sah sich verblüfft um – »… du mit mir?«
    »Klar, du warst doch schon paarmal hier, hast erzählt, du arbeitest als Tänzerin im S&N Club. Hab ich mich nicht neulich Abend erst mit dir unterhalten?«
    Äh, nein. Neulich Abend war ich nicht in der Hölle . Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach. »Tut mir Leid, du musst mich verwechseln.«
    »Sag bloß.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Da gibt es so eine Braut, die kommt immer zur Sad Hour hierher, und ganz echt, die sieht exakt so aus wie du. Außer, dass die Haare anders sind. Dein genaues Ebenbild.«
    Cassie sagte kein Wort, dann flüsterte Xeke: »Vielleicht meint er deine Schwester. Frag ihn doch mal.« Hush zeigte auf das Medaillon.
    »Bis auf die Haare? Sind die vielleicht lang und schwarz, mit einer weißen Strähne?« Cassies Herz schlug wie wild. Rasch lief sie zur Theke und öffnete das Medaillon mit Lissas Bild darin. »Ist sie das?«
    »Ja, stimmt. Ist das nicht seltsam?«
    Cassie war vollkommen geschockt. Er spricht von Lissa! Er hat Lissa GESEHEN!
    »Was sagtest du vorhin? Du weißt, wo sie arbeitet?«
    »Stimmt, sie …«
    »Wo?«, schrie Cassie.
    Ihre plötzliche Aufregung verblüffte den Barkeeper. »Sie hat erzählt, sie arbeitet …« Er hielt inne, dann hob er den Kopf, als er ein quietschendes Geräusch hörte. »Frag sie doch selbst.«
    Dann zeigte er über Cassies Schulter hinweg. »Da ist sie.«
    Cassie drehte sich ganz langsam um. Sie konnte nicht sprechen, in ihrer Kehle saß ein Kloß.
    Da, im Türrahmen der Kneipe, stand ihre Zwillingsschwester.

KAPITEL ACHT

I

    Zuerst konnte sie es nicht glauben – nichts von all dem konnte sie glauben. Sie war nicht in dieser Bar. Sie war nicht in der Hölle.
    Und das da war nicht Lissa, die dort stand und sie ansah.
    Nein. Das war doch verrückt. Sie träumte. Sie halluzinierte das alles. Es gab keine Via, keinen Xeke, keine Hush. Ihr Haus war auch kein »Totenpass« und es gab keine »Ätherkinder«.
    »Cassie?«
    Lissas Stimme.
    Lissas Gesicht, Lissas Körper.
    Lissas Haare, bis hin zu der weißen Strähne auf der rechten Seite. Sie trug schwarze Samthandschuhe, einen kurzen schwarzen Krinolinenrock und eine schwarze Spitzenbluse. Dieselben Sachen, die sie in jener Nacht getragen hatte, als sie sich im Hinterzimmer des Goth House erschossen hatte. Das winzige Stacheldraht-Tattoo über ihrem Nabel war der endgültige Beweis.
    Cassie wusste im selben Moment, dass sie nicht träumte. Alles war real.
    Doch als sie den Mund öffnete, um zum ersten Mal seit über zwei Jahren mit ihrer Schwester zu sprechen …
    Drehte sich Lissa um und stürzte aus der Bar.
    »Nein! Komm zurück!«
    Ohne nachzudenken rannte Cassie ihrer Schwester hinterher.
    Warum läuft sie weg? Sie sollte sich doch freuen, mich zu sehen.
    Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht auch das Gegenteil.
    Schließlich ist sie meinetwegen in der Hölle , erinnerte Cassie sich selbst.
    Ihre Flipflops trugen sie über die widerliche Straße; sie sprang über Abfallhaufen und unbeschreiblichen Dreck. Ein Rudel Polterratten stob quiekend in alle Richtungen davon, als Cassie einen Satz darüber machte. Der blutige Himmel über ihrem Kopf flackerte, und vor ihr auf der dunklen Straße raste Lissa davon, als sei der

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