Inferno
schlafen, alter Mann.
Er war wild entschlossen, genau das zu tun, doch als er sich umdrehte, sah er, dass jemand neben ihm in seinem Bett lag.
II
Cassie war erschüttert, als sie, Via und Hush von dem Schlachtfeld des Parks wegtrotteten, eine blutige Fußspur hinter sich herziehend. Als sie weggerannt waren, kamen ihnen Einheiten der Constabler entgegen, gefolgt von Altstoffsammeltrupps mit ihren Trichtern auf Rädern, um die Leichen aufzusammeln und sie in die Wertstoffanlagen zu bringen. Trotz des grausigen Vorfalls ging der restliche Bezirk scheinbar unmittelbar danach wieder zur Tagesordnung über, als wären solche Ausbrüche der Grausamkeit so normal wie ein Blechschaden an einem Auto in jeder anderen Großstadt.
Offensichtlich war das auch so.
»Hier sind wir einigermaßen in Sicherheit«, meinte Via. »Die Constabler kümmern sich in der Regel nicht besonders um Boniface Square. Luzifer liebt das Geld, das über die Clubs, Restaurants und Geschäfte an ihn fließt.«
»Ist das eine Art Einkaufsviertel?«
»Mehr ein Vergnügungsviertel. Die besser gestellten Einwohner der Hölle gehen hier aus. Es ist wie der Hollywood Boulevard der Hölle.«
»Aber ihr seid doch Exilbürger – XBs«, merkte Cassie an, »ich dachte, das macht euch zu Flüchtlingen? Heißt das nicht, dass die Constabler überall nach euch suchen?«
»Theoretisch ja, aber hier liegen keine Haftbefehle gegen uns vor. Die Ghettoblocks und die Industriezone sind was anderes, da haben wir einige Verbrechen begangen. Vor allem Diebstahl und Ordnungswidrigkeiten.«
»Ordnungs…«, wollte Cassie nachfragen.
»Widerstand gegen die Staatsgewalt, Töten von Schergen und anderen Polizisten, Betrügereien – dergleichen«, erklärte Via leichthin. »Einmal hat Hush Satan Sucks auf die Eingangstür der Antichrist-Kirche von Westminster gepinselt, also haben die Constabler eine Fahndung eingeleitet. Ein anderes Mal haben sie uns ein ganzes Regiment auf den Hals gehetzt, weil Xeke eine Polizeiwache in der Nähe des Baalzephon Einkaufszentrums in die Luft gejagt hat.«
»Also seid ihr eine Art Stadt-Guerilla?«, folgerte Cassie. »Wie die Terroristen, von denen Xeke vorhin gesprochen hat?«
»Wir leisten unseren Beitrag, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den echten Revolutionären. Wie Xeke schon sagte, es gibt eine echte Widerstandsbewegung – die Rebellen von Satan Park -, aber die operieren vor allem im Stadtzentrum. Wir haben nicht den Mut, uns ihnen anzuschließen.«
Das klang faszinierend für Cassie. »Warum nicht? Ich denke, wenn sich genug Leute zusammenschließen würden …«
»Wer sollte Luzifer besiegen?« Via lachte über so viel Idealismus. »Das wird niemals passieren, Cassie. Die Aufständischen werden von Ezoriel angeführt, einem Gefallenen Engel, doch selbst mit einer halben Million Freiwilligen kann er Luzifers Sicherheitskräfte nicht schlagen. Sie versuchen seit eintausend Jahren, den Mephisto-Turm einzunehmen, aber selbst mit der Macht eines Gefallenen Engels schaffen sie es kaum, das Fleischlabyrinth zu überwinden. Das klingt vielleicht feige, aber wenn wir uns ihnen anschließen würden, würden wir nur in den Folterfabriken landen. Wir müssen hier die Ewigkeit verbringen – und die Ewigkeit ist eine verdammt lange Zeit. Warum sollten wir für uns alles noch schlimmer machen?«
Dagegen konnte Cassie kaum etwas einwenden. Immerhin war sie selbst noch ein Mitglied der Welt der Lebenden und bisher noch nicht verdammt. Sie hoffte nur, sie würde es auch dabei belassen können.
»Na, wenigstens ist das eine gewisse Erleichterung«,
bemerkte sie. »Dass wir in diesem Bezirk vor den Constablern sicher sind.«
Mit besorgter Miene zupfte Hush an Vias Lederjacke, ihr Mund formte lautlos das Wort Nicky .
»Ach ja«, erinnerte sich Via. »Es gibt da einen Typen, auf den wir aufpassen müssen. Nicky der Koch. Er ist kein Bulle; er gehört zur Mafia. Vor einiger Zeit haben wir einen seiner Geldeintreiber um fünftausend Mäuse erleichtert.«
»So eine Art Kredithai, meinst du?«
»Ja, könnte man sagen. Nicky ist auf der Suche nach uns, deshalb müssen wir vorsichtig sein. Er macht eine Menge Geschäfte mit den Stripclubs und Bars hier am Boniface Square.«
Cassie wollte eigentlich nicht fragen, aber sie tat es trotzdem. »Und warum nennt man ihn den Koch?«
»Wenn du ihn bescheißt, kocht er dich.«
»Er kocht dich?«
»Ja, ihm gehört eine Schwefelgrube im östlichen Äußeren
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