Inferno
Sektor«, erklärte Via geduldig. »Sie stecken dich in eine große Metalltonne, machen den Deckel zu und werfen die Tonne in die Grube. Da sitzt du dann in deiner Tonne und kochst. Für immer.«
Du lieber Himmel, dachte Cassie.
»Es ist wirklich komisch, dass viele von den Mafia-Kerlen aus der Welt der Lebenden, wenn sie abtreten, in die Hölle kommen und hier weiter für die Mafia arbeiten. Tot oder lebendig, man ist wohl, wie man ist. Luzifer liebt das organisierte Verbrechen und die ganze Korruption, die damit einhergeht.«
Das konnte Cassie sich gut vorstellen, und deshalb war Nicky der Koch jemand, dem sie auf gar keinen Fall begegnen wollte.
Schon bald kamen sie in ein Gewirr von Einkaufszentren und Bürogebäuden, die mit einer Vielzahl von Unterhaltungsmöglichkeiten prahlten. »Der Boniface Square ist riesig«, sagte Via. »Wo wir gerade herkommen – das Restaurant und der Hotelbezirk -, das ist der noblere Teil des Platzes. Von hier ab wird es etwas zwielichtiger. Bars, Stripschuppen, Pornosalons, Bordelle und so weiter. Dort kaufen die reicheren Einwohner ihre Drogen und holen sich ihren Kick. Die Musikclubs sind auch alle hier.«
Musikclubs , ermahnte Cassie sich. Wie der Laden, in dem Lissa arbeitet . Der Wunsch, ihre Schwester zu finden, trieb sie immer noch an, doch da war auch noch die Sache mit Xeke. Cassie machte sich schreckliche Sorgen um ihn, doch Via schien nicht sehr beunruhigt.
»Machst du dir denn überhaupt keine Sorgen um Xeke?«, fragte sie.
»Schon ein bisschen. Immerhin sind wir in der Hölle. Da gibt es viele Gründe, sich Sorgen zu machen. Aber ich habe schon oft erlebt, wie Xeke mit Mutilationstrupps und Constablern fertig geworden ist. Das Klügste, was wir machen können, ist, seinen Anweisungen zu folgen. Er weiß, wovon er spricht. Er hat gesagt, wir treffen uns im S&N Club, also werden wir genau das tun.«
»Aber was, wenn er es nicht zum Club schafft?« Cassie konnte nicht anders, sie musste Via widersprechen.
»Er wird es schaffen.«
Noch mehr Fragen drängten sich ihr auf, die Macht der Gewohnheit. »Ich bin ein bisschen verwirrt, was dich und Xeke betrifft – eure …«
»Beziehung?« Nun wirkte Via ein wenig verärgert. »Ich liebe ihn. Was sagst du dazu?«
Das war keine Überraschung. »Aber …«
»Ob er mich auch liebt? Scheiße, nein. In seinen Augen sind wir nur Freunde, wir sind ›Kumpels‹. Wir haben nicht miteinander geschlafen, wir haben uns noch nicht mal geküsst, was mich wirklich ankotzt, weil ich ihm jede Möglichkeit dazu gegeben habe.« Ihre Stimme klang jetzt gequält. »Scheiß Männer – in beiden Welten sind sie einfach nur Idioten.«
»Warum machst du nicht …«
»Den ersten Schritt?« Via hatte sich angewöhnt, Cassies Sätze zu beenden. »Dann würde er mich für ein Flittchen halten. Und nein, ich hab ihm noch nie gesagt, dass ich ihn liebe. Das würde ihn nur verjagen. So ist es doch immer, oder?« Sie sprach jetzt mehr zu sich selbst. »Eigentlich hat er sogar Recht. Er will keine Beziehung mit mir haben, weil er weiß, was jeder hier weiß: Beziehungen funktionieren in der Hölle nie. Ich wünschte, ich könnte so stark und klug sein wie er.«
Cassie tat sie Leid. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sich hinter Vias herbem Auftreten aufrichtige weibliche Gefühle verbargen. Und noch etwas war unschwer zu erkennen: Trotz Xekes Gewandtheit, seiner Intelligenz und seiner Fähigkeiten im Kampf machte sich Via ernstlich Sorgen um ihn.
Ein langer, mit Natodraht verstärkter Zaun begrenzte die eine Seite des Häuserblocks. Dämonenwachen standen entlang der inneren Abgrenzung auf ihren Posten. Jenseits des Zauns konnte Cassie lange Reihen dunkler Betongebäude erkennen.
»Das sieht ja beinahe aus wie ein Militärgelände. Was macht das mitten in einem Vergnügungsviertel?«
»Jeder Bezirk beherbergt mindestens eine Regierungseinrichtung«, antwortete Via im Weitergehen. »Das hier ist ein Metaphysisches Dienstleistungszentrum. Wenn Luzifer sich schon nicht in der Welt der Lebenden aufhalten kann, will er sie wenigstens bei jeder möglichen Gelegenheit stören.«
Cassie blinzelte, um die mit Schablone beschrifteten Schilder auf den einzelnen Gebäuden besser lesen zu können:
AUTOMATISCHES SCHREIBEN SEANCE-PROJEKTION CHANNELING-STATION
»Seancen, Channeling?«, fragte Cassie. »Hat das nicht alles mit Kontaktaufnahme zu den Toten zu tun?«
»O ja. Und es ist alles getürkt.«
»Wie bitte?«
»Alles nur Quatsch für
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