Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
sie dann einen einmalig schönen Sonnenaufgang erleben durften. Bald wußten sie, daß es
sich dabei nur um eine Illusion handelte, denn sobald das Lied verklungen war, vergingen auch die
Blumen und der übrige Zauber. Doch Orbs Lied wurde immer vollkommener, und so wunderten sich die
anderen jedes Mal wieder aufs neue.
»Es wird der Tag kommen«, bemerkte Betsy einmal zu ihr, »an dem du das Lied so gut singst, daß
aus der Illusion Realität wird. Und dann können wir jeden Tag einen zweiten Sonnenaufgang
erleben.«
Orb lachte im stillen darüber. Natürlich war ihr Gesang Menschenwerk, doch mit Hilfe der Magie
vermochte sie sicher eines Tages Effekte zu erzielen, die denen der Natur sehr nahekamen.
In diesen Tagen dachte sie auch oft über Natasha nach. Es war kein Zufall gewesen, daß er sie vor
Satans Zugriff bewahrt hatte, denn sie hatte in ihrer Not ein Stück des Llanos gesungen, und dem
magischen Lied hatte Nat sein Leben gewidmet.
Satans Annäherung war der schlimmste Moment in ihrem Leben gewesen, denn er hatte sie schon fast
unter seinen Willen gezwungen, und die Prophezeiung hatte sich beinahe erfüllt.
Sie teilte mit Nat das Interesse am Llano, genauso wie ihre Suche sie mit der Band und Jezebel
verband. Doch mit Nat war es mehr als nur der Wunsch, Hilfe und Erlösung zu erlangen. Natasha war
ein gutaussehender, zuvorkommender Sänger - und Orb war ohne Partner. Bislang hatte sie sich
niemals einsam gefühlt, aber seit Nat in ihr Leben getreten war, spürte sie eine heimliche
Sehnsucht in sich.
Sie dachte auch viel über die Prophezeiung nach.
Immerhin hatte der Teufel wirklich versucht, sie zu einer Vermählung zu zwingen. Aber im Traum
ihrer Kindheit hatte sie gesehen, daß Mym sie durch die Kirche ihrem Bräutigam zuführen
würde.
Mym war nicht anwesend gewesen, also hätte aus dieser Hochzeit nichts werden können. Und wenn sie
eines Tages Natasha freien sollte? Durfte sie einen solchen Traum haben? Und was wurde dann aus
dem Traum, der eine völlig zerstörte Welt gezeigt hatte?
Aber was, wenn Natasha kein Mensch war? Wenn er sich wirklich als Dämon entpuppen sollte? Sie
durfte Jezebels Warnung nicht einfach in den Wind schlagen. Der Succubus kannte sich in solchen
Dingen bestens aus. Allerdings gab es die unterschiedlichsten Arten von Dämonen. Nicht nur
Höllenkreaturen. Eigentlich gehörten ja auch die Dryaden zu dieser Spezies, und mit der
Hamadryade war Orb sehr gut ausgekommen.
Also mußte Natasha nicht zwangsläufig böse sein.
Dennoch behagte Orb die Vorstellung nicht sonderlich, eine Romanze mit einem nichtmenschlichen
Wesen zu beginnen.
Dann fragte sie sich, ob sie sich solche Dünkel eigentlich erlauben konnte. Der Gitarrist hatte
eine wunderbare Beziehung mit einem Succubus.
Jezebel war auch im menschlichen Sinn eine gute Frau. Wenn ein Freund glücklich damit war, mit
einer Dämonin zusammenzusein, wie konnte Orb dann für sich andere Maßstäbe reklamieren? Orb
fühlte sich von diesen Fragen hin und her gerissen. Es war ja nicht auszuschließen, daß eine
Beziehung zwischen ihr und Nat funktionieren könnte. Doch nein, zuerst mußte sie einfach wissen,
was es mit Natasha auf sich hatte. Wenn er ein ganz normaler Mensch war, sprach ja eigentlich
nichts gegen eine Beziehung. Und wenn er tatsächlich dämonischer Natur sein sollte, konnte sie
ihn ja immer noch prüfen. Schließlich hatte sie sich ihm gegenüber in keiner Weise
verpflichtet.
Doch damals, als er das Lied des Erwachens gesungen hatte, wie warm war ihr da ums Herz
geworden...
»Mrs. Glotch hat uns einen Auftritt auf Hawaii besorgt!« strahlte Betsy und blickte von dem
Briefstapel vor ihr auf dem Tisch hoch. »Ich wollte immer schon einmal dorthin und mir die
Ananas-Farmen ansehen.«
Orb machte eine unglückliche Miene. »Ich weiß nicht, ob das so gut wäre. Jonas mag es gar nicht,
über so große Wasserflächen zu reisen.«
»Och, warum denn nicht?«
»Er ist doch verflucht und darf Wasser nicht berühren. Wenn wir über dem Pazifik treiben und ein
Unwetter aufkommt, steckt der Wal in ernsthaften Schwierigkeiten.«
Betsy zog die Brauen hoch. »So? Was wird denn dann aus ihm?«
»Na ja«, antwortete Orb, »was widerfährt schon einem Wesen, das mit etwas in Berührung kommt, das
ihm verboten ist?«
»Vermutlich müßte er entsetzliche Schmerzen erdulden!« entfuhr es Lou-Mae.
Orb nickte. »Ich denke, wir sollten Jonas fragen, ob er bereit ist, dieses Wagnis auf sich zu
nehmen. Wenn er
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