Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
nach. Die Tänzerin fragte sich, ob sie
endlich das Gegenmittel gefunden hatte.
Noch wagte sie nicht zu frohlocken.
Sie sah sich um. Die anderen Skelette kamen nicht näher, solange der einzelne seinen Angriff
durchführte. Wenn sie ihn ablenken konnte, bis der Sturm vorüber war, könnte Jonas in die Höhe
schwimmen und wäre damit diesen unheimlichen Wesen entkommen.
Der Drummer schlug härter und schneller auf sein Schlagzeug ein. Der Rhythmus schien gegen den
Himmel selbst zu donnern. Das Skelett paßte sich dem neuen Tempo an und bewegte sich wilder und
wilder. Doch damit hatte es sich wohl überanstrengt.
Einzelne Knochen flogen in hohem Bogen von ihm fort. Nun besaß das Skelett nur noch einen Arm,
dann fehlte sein Kopf, und endlich brach der Rest zusammen und versank im Wasser. Nichts mehr war
von ihm zu sehen.
Orb atmete erleichtert auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie hatten es
geschafft!
Endlich!
Ein drittes Skelett löste sich aus der Phalanx und torkelte auf die Schwanzflosse zu.
Oh! dachte Orb. Sie konzentrierte sich, der Drummer hieb wieder auf sein Instrument ein, und Orb
tanzte der Kreatur den Tanana. Das Skelett tanzte wie sein Vorgänger, und als der Drummer
den Rhythmus beschleunigte, flog es auseinander und versank wie das erste in den Wellen.
Doch der Sturm hatte nicht im mindesten nachgelassen, und nun kamen gleich mehrere Skelette auf
sie zu. Jonas bebte und fürchtete um alle seine Finnen und Flossen.
»Verdammt!« schimpfte der Drummer. »Du kannst nicht ewig tanzen, und du kannst es wohl auch nicht
mit mehreren von ihnen gleichzeitig aufnehmen.«
Jezebel erschien mit Lou-Mae und dem Organisten.
»Wenn wir uns verteilen, könnten wir die Biester an vier Seiten aufhalten«, schlug sie vor.
Sie kamen der Aufforderung nach und stellten sich an allen Seiten auf. Doch außer Orb beherrschte
niemand den Tanana, und die Skelette ließen sich von schlechten Nachahmungen nicht
täuschen.
Orb hatte keine Zeit, ihren Freunden den Zigeunertanz beizubringen; sie selbst hatte ja lange
Zeit gebraucht, ihn zu beherrschen.
Außerdem war es eigentlich nur Zigeunern möglich, den Geist des Tanana zu erfassen, und
Lou-Mae würde sich nie zu solch obszönen Bewegungen hinreißen lassen.
»Wir müssen uns etwas anderes ausdenken!« rief Jezebel. »Kannst du nicht versuchen, Nat zu rufen?
Du hast doch gesagt, er kenne eine Menge mächtiger Lieder!«
»Natasha!« rief Orb dreimal, während die Skelette unaufhaltsam näher kamen.
Eine leise Melodie ertönte, die stetig lauter wurde.
Der Wind schien abzuflauen, und einzelne Skelette begannen zu schwanken.
Natasha hatte Orb gehört!
Sein Lied, melodiös und wunderschön, erklang nun immer lauter. »Was kann der Mann singen!«
seufzte Jezebel. Dann lauschte sie ebenso hingerissen wie die anderen.
Natasha erschien auf dem Wasser. Er sang voller Inbrunst, und sein Lied hielt die ganze Horde im
Schach. Er spazierte zwischen den Skeletten umher und bestieg den Wal, bis er vor Orb
stehenblieb.
Er lächelte sie an und verstummte.
»Sie wollen Jonas in ein Skelett verwandeln!« rief Orb. »Könnt Ihr sie nicht aufhalten?«
»Sicher, mit dem Lied der Macht«, antwortete er freundlich. »Ihr kennt es vielleicht als das Lied
des Tages.«
»Beeilt Euch bitte, bevor sie ihr Ziel erreichen«, drängte sie.
»Schlagen Sie den Rhythmus!« forderte Natasha den Drummer auf.
Dann sang er. Es war dasselbe Lied wie zuvor, doch jetzt war es von Magie erfüllt. Die Nacht
verging, der Tag kam.
Die Sonne stieg höher, und ihre Strahlen fuhren unerbittlich in das Unwetter. Die schwarzen
Wolken verdampften, und die weißen Gebeine der Skelette erstrahlten.
Nat gab dem Drummer ein Zeichen, und der Rhythmus wurde schneller und härter.
Natasha sang lauter, und die Kraft, die von ihm ausging, gab Orb das Gefühl, auf einem Mustang
durch die Feuerwand zu reiten.
Unordnung kam in die Reihen der Skelette. Sie regten sich, doch nicht, um sich zu einem neuen
Tanz zu sammeln, sondern um zu fliehen. Aber es war für sie zu spät. Die Sonnenstrahlen griffen
erbarmungslos nach ihnen. Und gleichzeitig konnten die Kreaturen sich dem Rhythmus von Sänger und
Drummer nicht entziehen. Sie torkelten hierhin und dorthin und fielen einer nach dem anderen
auseinander. Knochen sanken in das Wasser, und nach wenigen Minuten war der ganze Spuk
vorüber.
Nat ließ sein Lied verklingen, und mit ihm verging der helle Tag, um der Nacht und der
Wirklichkeit Platz zu machen.
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