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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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sie einzuschalten. Da waren Schritte. Und Stimmen. Nein, nur eine einzige, doch die erzählte in diesen dunklen verschlungenen Gängen seine Geschichte. Er glitt aus dem Schlafsack. Jeder einzelne Muskel seines Körpers schmerzte. Er hörte nur wenige Schritte entfernt das Plätschern eines Wasserstrahls, und es roch streng nach Urin. Dann folgte ein Seufzer der Erleichterung und ein ziemlich falsch gesungenes Lied. Ramondi umklammerte sein Messer.
    Er schaltete die Taschenlampe ein, leuchtete dem Eindringling direkt ins Gesicht, sodass der sich geblendet fluchend die Hand vor die Augen legte. Primo sprang nach vorn, zielte mit der Klinge auf den Körper des Feindes. Im Zustoßen roch er seine Alkoholfahne.
    Unterdrücktes Stöhnen. Ein dumpfer Aufprall. Primo Ramondi fiel die Taschenlampe aus der Hand. Er spürte, wie sie auf dem Boden aufschlug, und hörte das Geräusch von zersplitterndem Glas. Dann stach er wieder aufs Geratewohl auf den Mann ein auf der Suche nach der Erleichterung, die ihm das Töten verschaffte, doch in diesem Moment versetzte ihm der Feind einen Stoß mit einem spitzen Gegenstand. Die Flasche, die er in Händen gehalten und der er nun den Hals abgeschlagen hatte. Das Glas bohrte sich in Primo Ramondis Bauch und es brannte plötzlich. Er nahm wahr, wie er den Mund öffnete, aber auch, dass er nicht genug Kraft hatte zu schreien. Die Angst trieb ihm wieder Tränen in die Augen.
    Mit einem Satz sprang er über den Körper seines Feindes hinweg und floh durch die dunklen Gänge, stolperte, stand wieder auf und versuchte, diesen Tränen zu entkommen, die er nicht weinen wollte.
    »Du bist schwach … Du bist schwach …«, murmelte er vor sich hin, während er sich in der Dunkelheit verlor. Im Laufen presste er die blutende Wunde an seinem Unterleib zusammen. »Du bist schwach …«
    Er schaffte es nur einige Meter weit, dann fiel er mit dem Gesicht nach unten in die stinkenden Ausscheidungen der Stadt. Er drehte den Kopf und blickte sich um. Ganz hinten in diesem Tunnel der dunklen Schatten sah er den jetzt nur noch schwachen Widerschein der Taschenlampe auf dem schmutzigen Wasser zittern. Sein keuchender Atem dröhnte laut durch den Tunnel und betäubte ihm die Ohren. Mit einer Hand riss er seine Kleidung über dem Bauch auf und tastete die Haut ab. Entfernte einen Glassplitter und untersuchte noch einmal die Wunde. Sie schien nicht tief zu sein.
    Hinter dem Lichtschein der Taschenlampe hörte er seinen Feind stöhnen. Er fuhr mit zwei Fingern über das Messer, das er immer noch fest umklammerte. Es war klebrig. Also hatte er getroffen.
    Er schlurfte vorsichtig durch den Schmutz dieser Stadt zurück bis zu seiner Taschenlampe, hob sie auf und richtete sie auf seinen Feind.
    Er sah dort vor sich keinen Obdachlosen mit einem Gesicht, das ein Leben voller Angst und Entbehrungen verwüstet hatte, mit einer roten Säufernase und zerlumpter Kleidung. Auch keinen armen alten Mann, der in unnatürlicher Haltung am Boden kauerte, sich die Seite hielt und jammerte. Hinter dem schmutzverkrusteten Bart, hinter diesem leeren Blick eines Ausgestoßenen sah Primo das harte Gesicht des Polizisten. Das unbarmherzige Gesicht des Vaters.
    »Du bist so schwach wie eine Schwuchtel«, sagte der zu ihm.
    Primo Ramondi ging weiter auf den Mann zu und hielt dabei die Hand mit dem Messer nach vorn ausgestreckt.
    »Jetzt sag mir doch mal, wer jetzt der Schwächling ist!«, schrie er ihn unter Tränen an.
    Der Stadtstreicher schaute einen Moment hoch, dann sah er sofort wieder auf seine rechte Seite. Im Schein der Taschenlampe war ein großer roter Fleck zu erkennen, der zuckte, als wäre er in Bewegung.
    Primo Ramondi kam noch näher. Er stieß dem Mann das Messer links in die Brust zwischen die Rippen und drehte es ganz langsam in der Wunde um, der Obdachlose zuckte hoch, riss seine Augen, die sich bereits verschleierten, weit auf und starrte ihn an.
    »Wer von uns ist hier der Schwächling?«, wiederholte Primo Ramondi mit hysterischer Wut.
    Dann zog er die Klinge heraus und rammte sie wieder in den Körper, mitten dort hinein, wo er diesen großen Magen vermutete, der ihn hatte verschlingen wollen, als er ein Kind war. Der Stadtstreicher bewegte sich nicht mehr. Primo zog das Messer heraus und versenkte es wieder so tief, wie er konnte, diesmal in die Oberschenkel, drehte die Klinge herum und zerrte sie hin und her, um Muskeln und Sehnen zu durchtrennen. Damit der Mann ihm nicht mehr auf dem staubigen Hof vor der

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