Innerste Sphaere
dass ich an meinen inneren Verletzungen sterben würde. Und mein Handgelenk war zerschmettert. Jetzt – fühlte ich mich gut. Sehr gut sogar.
»Deine physischen Verletzungen wurden geheilt.«
»Ihr müsst ja krasse medizinische Fähigkeiten haben«, blaffte ich. »Warum war ich überhaupt verletzt? Ich bin schließlich tot, oder?«
Er lachte trocken. »Wir sind alle tot. Aber wir atmen. Wir bluten auch. Dein Körper hier kann verletzt werden wie früher der irdische. Er kann auch getötet werden. Und wenn das passiert, kann man nie wissen, wo man landet.«
Ich nickte vorsichtig.
»Hier sind ein sauberes Hemd und eine saubere Hose für dich.« Er warf die Kleidungsstücke auf die Pritsche, zusammen mit einem abgetragenen Paar Pantoffeln.
Ich griff danach. »Dreh dich um.«
Er lachte. »Du machst Witze, nicht wahr? Wenn du dich anziehen willst, tu es. Aber es steht dir auch frei, in ein Laken gewickelt am Boden zu hocken. So oder so, wir werden reden.«
Dieses Mal war ich es, die lachte, aber selbst in meinen Ohren hörte es sich hysterisch an. »Das letzte Mal, als einer von euch das gesagt hat, ist das für mich nicht so gut ausgegangen.«
»Ah. Das tut mir leid. Amid war aufbrausend und unruhig in letzter Zeit. Und du hast ihn gedemütigt –
mehrmals
. Aber was er getan hat, war unakzeptabel. So arbeiten wir nicht.«
»Freut mich zu hören.« Ich starrte ihn an, während ich mich auf den Boden hockte und das Laken am Nacken verknotete, sodass es die Vorderseite meines Körpers verdeckte. Ich zog mir darunter die Hose an und zerrte das Hemd darüber. Unglücklicherweise war das Hemd eher ein Zelt und die Hose hing lose von meinen Hüften und drohte im unpassenden Moment schmachvoll zu rutschen. »Ein Gürtel wäre zu viel verlangt?«
»Das wäre es«, sagte er, als er aufstand, in den schwächlichen Lichtkegel der Lampe geriet und mir den ersten Blick auf sein Gesicht gewährte. »Ich bin übrigens Malachi.« Er streckte mir seine Hand entgegen.
So ein Mist. Er war es – der Wächter vom Straßenkampf. Der Typ, von dem die anderen Wächter gesagt hatten, er würde die Wahrheit aus mir herauspressen. Der, den sie fürchteten und hassten. Und der direkt vor Nadias Augen zwei Leute getötet hatte.
Seine Gesichtszüge waren weich und faltenlos, hatten aber dennoch diese wilde, trotzige Ausstrahlung, die mir schon vorher aufgefallen war. Seine unergründlichen Augen, von dichten, dunklen Wimpern umrahmt, waren voller Selbstvertrauen und es lag eine Drohung darin. So als hätte er bereits alle meine Schwächen bewertet und alle möglichen Arten, mich zu töten, abgehakt, sodass er sich jetzt entspannen und freundlich sein konnte. Es war kein sanftes Gesicht, aber es besaß eine harte, gefährliche Schönheit.
Gefährlich
war das richtige Wort. Vorsichtig streckte ich ihm die Hand entgegen und schüttelte die seine, als würde ich eine Viper oder einen Hai streicheln.
»Ich bin Lela.«
Seine Hand fühlte sich auf meiner Haut warm an. Sein Griff war fest. Schnell zog ich zurück. Er ließ es zu, behielt mich aber im Auge. »Freut mich, Lela. Jetzt erzähl mir bitte, was du in meiner Stadt machst.«
»Ähm … dasselbe wie alle anderen. Ich hab mir das Leben genommen«, sagte ich stumpfsinnig und versuchte meinem Gesicht denselben selbstmitleidigen, sorgenvollen Ausdruck zu verleihen, den ich bei den Bewohnern der Stadt beobachtet hatte. Ich hatte gesehen, was Malachi Menschen antat, die sich gegen ihn stellten, und hatte keine Lust, mit der Klinge seines Messers Bekanntschaft zu machen. Ich würde mich dumm stellen, bis ich die magischen Worte fand, die das Schloss dieses Käfigs aufspringen ließen.
»Dein Benehmen legt nahe, dass du etwas anderes im Schilde führst.« Seine Stimme war sanft, er zog sich einen Klappstuhl heran und setzte sich. Die Arme vor der Brust verschränkt lehnte er sich zurück. Er trug weder eine Rüstung noch irgendwelche sichtbaren Waffen; in der Arbeitshose und dem ordentlichen, langärmligen T-Shirt sah er ganz normal aus. Eigentlich wirkte er wie ein gewöhnlicher Oberstufenschüler. Einer, der verdammt gut in Form war. Einer, der in seiner Freizeit Leute umbrachte.
Beruhigt angesichts der einigermaßen sicheren Distanz zwischen uns ließ ich mich auf die Pritsche fallen, um nicht mehr meine Hosefesthalten zu müssen. »Ich weiß nicht, wovon du redest.« Immer noch versuchte ich, düster zu klingen.
Seine Augenbrauen schossen hoch, obwohl er nicht unbedingt
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