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Innerste Sphaere

Innerste Sphaere

Titel: Innerste Sphaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Fine
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darauf, die Schnallen zu lösen, die die passgenauen Schienen an Malachis Waden hielten. Ich zog ihm die Stiefel aus und stellte sie ans Fußende der Liege. Dann wandte ich mich seinen Armen zu und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass ich ihn noch nicht hatte atmen sehen, seit ich wieder hier war.
    Raphael beugte sich über Malachis Kopf und Hals und stimmte einen Singsang an. Ich hätte gern gefragt, warum er keine medizinische Ausrüstung dabei hatte, aber mittlerweile war so viel Seltsames passiert, dass noch eine höllisch unheimliche Episode auch keinen Unterschied mehr machte. Solange Raphael dafür sorgte, dass es Malachi besser ging, war das für mich in Ordnung. Ich nahm ihm die Lederschiene vom Arm und konnte es nicht lassen, nach seiner Hand zu greifen. Sie war schwielig und rau. Und kalt. Ich drückte sie und dieser komische Schmerz fuhr mir durch die Brust, als er den Druck nicht erwiderte.
    Dann löste ich die Schiene von Malachis anderem Arm – Raphael, der voll und ganz in seiner Aufgabe versunken schien, wollte ich nicht stören. Ich nahm Malachi das letzte Stück seiner Rüstung ab und legte es sorgsam neben den Rest. Dann zog ich sein Hemd glatt, das dunkel und feucht von Schweiß und Blut war und sich in der frostigen Luft der Wohnung kühl anfühlte. Ich humpelte ins Badezimmer, wühlte im Wäscheschrank und fand ganz hinten, was ich suchte: eine alte grüne Decke, die aussah und roch, als würde sie seit einem halben Jahrhundert dort liegen.
    Als ich wieder eintrat, hockte Raphael auf den Fersen, seine sommersprossige Hand lag auf Malachis Brust. »Sein Herz schlägt noch, aber er ist schwach. Sag, hatte er Schmerzen, als du gegangen bist?«
    Etwas an der Art, wie er die Frage formulierte, ließ mich schaudern. »Hm, nicht so sehr … Ich würde sagen, dass sich eher alles taub anfühlte. Und er hat fantasiert.«
    »Fantasiert?«, fragte er mit diesem emotionslosen, kalten Tonfall. »Faszinierend.«
    »Faszinierend? Du redest von ihm, als ginge es um ein Forschungsprojekt«, gab ich zurück. »Hast du denn solche Verletzungen noch nie gesehen?«
    »Doch, natürlich. Unzählige Male. Fantasieren gehört normalerweise nicht zu den Symptomen. Deshalb frage ich mich, was er gesagt hat, das sich nach Fantasieren angehört hat.«
    Meine Wangen glühten. Lächelnd richtete er den Blick wieder auf Malachi. »Ich bin froh, dass er dich gefunden hat.«
    Ich schleppte mich heran, breitete die Decke über Malachi aus und faltete sie über seiner Brust. »Ich fühle mich schrecklich. Er wurde verwundet, weil er mich beschützen wollte«, flüsterte ich. Nadia und Diane waren die einzigen, die das je versucht hatten. Niemand außer Malachi hatte bisher wirklich etwas für mich riskiert. Und er hatte alles riskiert.
    »Quäl dich nicht. Er hat gedacht, dass du es wert bist, davon bin ich überzeugt. So jung er scheinen mag, Malachi kann durchaus eigene Entscheidungen treffen.«
    »Lag das nur an mir oder waren die Wächter in der Station nicht gerade erpicht darauf, ihm zu helfen?« Vielleicht benahmen sie sich ja so, weil er mir, trotz allem was ich getan hatte, zu Hilfe geeilt war.
    Raphael schien meine Gedanken zu lesen. »Keine Sorge, du hast nichts damit zu tun. Malachi ist unter den Wächtern eine umstrittene Gestalt. Er ist ihr Captain, aber er ist keiner von ihnen. Sie wurden geschaffen, um als Einheit aufzutreten, aber er operiert oft allein oder mit Ana, die wie er ein Mensch ist. Er kommt von anderswoher als sie und seine Zukunft liegt ebenfalls anderswo. Wie bei all ihren menschlichen Anführern fällt es den Wächtern schwer, ihn zu verstehen, und manche versuchen es erst gar nicht.«
    Als ich wieder nach Malachis Hand griff, fühlte mich ihm seltsam verbunden. Ich verschränkte seine langen Finger mit den meinen. »Wird er wieder gesund?«
    »Das weiß ich noch nicht. Er ist schwer verwundet und das Gift hat ihn fest im Griff.«
    Ich schaute weg und streichelte geistesabwesend die Decke auf Malachis Brust. Raphael legte seine warme Hand auf meine. »Lassmich dich heilen, Lela. Nach deinen Kleidern zu urteilen, ist das darunter böse aufgerissen.« Wieder ärgerte mich seine Wortwahl.
    »Wie lange dauert das?«
    »Ein, zwei Stunden.«
    »Malachi braucht dich dringender. Mach, dass er gesund wird, dann kannst du mir helfen.«
    Raphael widersprach nicht. Wieder beugte er sich über Malachi. Ich lehnte den Kopf gegen die Liege, schloss die Augen und lauschte Raphaels leisem Singsang, bis

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