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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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das Geld, das ich ihr überwiesen habe, auf Heller und Pfennig zurückgezahlt. Ich hätte das niemals gefordert, das war ja kein Darlehen, aber sie wollte es so. Sie hat das Ehrgefühl und die Willensstärke ihres Vaters geerbt. Mehr noch, sie ist ein Mensch, der noch aus den heftigsten Schicksalsschlägen gestärkt hervorgeht und etwas aus sich macht.« Er nahm Kirstens Hand in seine. »So wie du, meine Liebe.«
    »Und deshalb hast du sie zu deinem Geburtstag eingeladen.«
    Fredrik füllte sein Glas mit Wein nach. »Sie hat voriges Jahr geheiratet. Einen anständigen Kerl, nach dem, was ich gehört habe. Ich wäre gerne zur Hochzeit gekommen, aber das ging leider nicht.«
    Das Klirren von Jonas’ zu Boden fallender Gabel begleitete die letzten Worte. Jonas zog die Schultern hoch, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Fredrik sagte: »Jonas, du bist alt genug, um die Gabel selbst wieder aufzuheben. Nein, benutze sie bitte nicht weiter. Hier, du kannst für den Nachtisch meine Salatgabel haben, die ist unbenutzt.«
    Neben Jonas’ Teller lag sein neuer Kompass. Er hatte Kirsten bei ihrer Rückkehr erst lang und etwas wirr erklärt, dass man damit Dinge finden könne, Straßen und Berge und so, dann hatte er von seinem Stadtrundgang mit Fredrik erzählt. Von Seilbahnen, mit denen die Kohle transportiert worden war, und was sein Opa früher in den Minen gemacht hatte, Geschichten, die Kirsten teilweise schon kannte. Der Mythos von Fredrik Stolt. Er hatte mit Ingrid an diesem Tag eine weitere Facette gewonnen.
    Kirsten erstaunte es immer noch, dass er die Ärztin zu seinem Geburtstag eingeladen hatte. Fredrik war im Grunde ein konservativer Mensch, der Familie und Beruf auf eine sehr altmodische Art vereinte. Überraschungen waren bei ihm in familiären Angelegenheiten nie zu erwarten gewesen. Umso bemerkenswerter erschien daher Ingrids Teilnahme am Geburtstagsprogramm. Weder Monika noch Elisabeth hatten sie Kirsten gegenüber erwähnt, dabei war davon auszugehen, dass zumindest Elisabeth Bescheid wusste.
    »Wann hast du dich entschieden, Ingrid einzuladen?«
    »Im August, nachdem Peter sich von seiner Verlobten getrennt hatte und klar war, dass ein Platz frei war. Ich hatte Kristoffer die Einladung mitgegeben.«
    »Das hat er mir gar nicht erzählt.«
    »Hat er nicht? Nun, er hat dir doch auch nichts über das geplante Programm verraten, oder?«
    »Er hat sich einen Spaß aus Andeutungen gemacht. ›Einmalige Erlebnisse in der Tradition Jack Londons mit der Option einer Meuterei auf der Bounty.‹ Das waren seine Worte.«
    »Meuterei auf der Bounty, tatsächlich.« Fredrik erlaubte sich ein Lächeln. »Na, wir werden sehen, ob es zu einer Meuterei kommt. Gequengelt werden wird wohl, aber es ist kein Höllentrip geplant. Es handelt sich eher um das Paradies ein wenig verkehrt herum.«
    Das Verkehrsmittel, das Kirsten und Jonas in das Tal, in dem Kristoffer gestorben war, befördern sollte, bewies einmal mehr die pragmatische Ader der Bewohner arktischer Gebiete: ein Schneemobil mit Kinderanhänger. Es fehlte nur noch der flatternde orangefarbene Wimpel, fand Kirsten und dachte: Das muss ich Kristoffer erzählen.
    Manchmal passierte ihr das noch, selbst nach vier Monaten. Wenn etwas geschah, sie etwas Aufregendes oder Komisches sah oder hörte, ein Moment, der geteilt werden wollte, dann triumphierte die Vertrautheit geteilter Jahre über harte Realität, und der Gedanke sprintete los, bevor sie ihn einfangen konnte.
    »Der Kinderwagen ist ziemlich winddicht«, bemerkte Tim, der Kirstens plötzliches Schweigen falsch deutete. »Jonas wird es darin wärmer haben als wir. Also keine Sorge. Ich habe dir einen Helm mitgebracht, Kleider und Stiefel liegen im Anhänger. Bist du bereit?«
    »Ja, ich denke schon. Danke, dass du uns hinbringst.« Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Ich verspreche, ich werde mich auch diesmal keine drei Meter weit entfernen.«
    »Sehen wir wieder Eisbären?« Jonas war in den Anhänger geklettert und presste sein Gesicht gegen die nachgebenden Sichtfenster. Tim langte rasch an ihm vorbei und fischte sein Gewehr heraus, bevor der Junge darauf herumturnte.
    »Vielleicht, wenn wir Glück haben. Diese Schneemobile sind sehr laut, das verscheucht die Bären.«
    Kirsten war sich nicht so sicher, ob sie die Begegnung mit einem Bären als Glück bezeichnen würde. »Wann geht es los?«
    »Sobald ihr euch umgezogen habt. Packt euch warm ein, wir werden nicht ewig unterwegs sein, aber es wird kalt werden.

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