Insel der glühenden Sonne
Ende des Schlafsaals mussten gelöscht werden.
Singer zitterte unter den dünnen Decken und versuchte, an etwas Schönes zu denken, um die unerwünschten Gedanken zu vertreiben.
Fünf Jahre, und das ist erst der Anfang. Kann man das noch Leben nennen? Und wenn ja, ist es das wert?
Angus, der sich in Dunkelhaft befand, hatte genügend Zeit für ähnliche Überlegungen.
Sie hatten den vorherigen Insassen nach vier Wochen Dunkelhaft herausgeschleift. Er bot den erbärmlichsten Anblick, den Angus je erlebt hatte. Der Mann war nackt und mit Exkrementen bedeckt, an seinem Hals klafften blutende Risse, doch den Gefängnisdirektor schien das nicht weiter zu kümmern.
»Seht euch das Schwein an! Holt den Schlauch, bevor ich kotzen muss.«
»Guck mal, er hat versucht, sich die Kehle rauszureißen«, sagte ein Kalfakter, als erfüllte ihn die bloße Vorstellung mit Ehrfurcht.
»Ja, das tun die oft«, sagte der Direktor. »Macht ihn sauber und bringt ihn ins Krankenhaus.«
Dann wandte er sich an zwei weitere Kalfakter, die mit Eimern und Mopps bereitstanden. »Na los, macht die Zelle sauber, der Kunde hier soll doch nicht warten.«
Er wandte sich an Angus. »Du hast vierzehn Tage Brot und Wasser wegen Meuterei bekommen. Wie ich sehe, hat die Peitsche nichts genutzt, aber vertrau mir, deine Privatzelle wird das schon richten. Ein guter Rat: Versuch nicht, dich selbst zu verstümmeln. Es tut nur weh und bringt nichts.«
Angus warf einen Blick zur Zellentür, sah die ungewöhnlich dicken Mauern und die niedrige Decke, war aber fest entschlossen, keine Furcht zu zeigen, obwohl ihm flau im Magen war und er vor Kälte zitterte.
Er weigerte sich zu sprechen, stellte keine Fragen und zog sich wortlos aus, bevor man ihn in die Zelle schickte. Dort entdeckte er, dass Dunkelhaft eine Zelle innerhalb einer Zelle bedeutete, und als die zweite Tür zufiel, war es stockfinster.
Entsetzt tastete Angus die Wände ab, stieg über eine Strohmatratze, hoffte irgendeinen Spalt zu finden, durch den ein wenig Licht dringen könnte, doch es gab nur eine Essensklappe, die von außen fest verriegelt war. Bis auf die Matratze und einen stinkenden Holzeimer war die Zelle vollkommen leer.
Angus war entschlossen, keine Panik zu zeigen, und ließ sich auf die Matratze fallen.
»Also nur du und ich, wie Singer sagen würde. Den Eimer da drüben rechnen wir mal nicht mit.«
Er fragte sich, weshalb er plötzlich an Singer dachte. Ob der unter diesen Umständen seine gute Laune bewahrt hätte? Vermutlich schon. Er war immer unbekümmert gewesen, auch wenn ihm keiner zuhörte.
»Ich selbst war nie unbekümmert«, erzählte er der Matratze. »Immer musste ich alles so furchtbar ernst nehmen. Zu Hause haben sie mir Handschellen angelegt und mich ins Gefängnis geschleppt. Ich durfte nicht mal mehr meine Eltern sehen.«
Angus lehnte sich an die Wand, zuckte aber vor dem kalten Stein zurück. Er war überrascht, wie schnell man im Dunkeln seine Nacktheit vergaß.
Er dachte an Schlaf, um die Zeit totzuschlagen, entschloss sich aber, wach zu bleiben und gegen den Schlaf zu kämpfen, damit er etwas zu tun hatte. Er würde es den Schweinen zeigen, Angus McLeod würde kein Häufchen Elend sein, wenn sie ihn hier herausholten.
Angus McLeod würde eines Tages nach Hause fahren.
Er musste ein Stöhnen unterdrücken. Nach Hause fahren? Wie konnte er darauf hoffen? Wenn sie schon keinen Unruhestifter als Sohn wollten, würden sie einen Vergewaltiger erst gar nicht zur Tür hereinlassen. Doch er musste ihnen irgendwie erklären, wie ungerecht sie gewesen waren, wie sehr er sie trotz allem liebte. Selbst in dieser gottverlassenen Zelle sah er ihre Gesichter beim Abendessen: Ma mit dem weißen Häkelkragen zum schwarzen Kleid, den sie jeden Abend wechselte; Pa ohne Hemdkragen, die Ärmel aufgerollt, die Hosenträger straff gespannt …
Angus sprang auf und heulte laut, denn hier konnte er sich gehen lassen. Niemand hörte ihn. Das Heulen wurde zum wütenden Geschrei, mit dem er seine Eltern beschimpfte. Sie gemein, verachtenswert und grausam nannte. Ignorant. Dumm. Kuschend vor Bossen, die ihnen das Mark aussogen und einen
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