Insel der glühenden Sonne
eine Chance geben.«
»Das hat er mir auch gesagt, Sir, aber ich weiß nicht, ob mir so etwas liegt. Könnte zu schwierig für mich sein. Vielleicht hat sich der gute Doktor ein wenig von seiner Begeisterung hinreißen lassen, nur weil ich auf Bewährung frei bin.«
»Er sagte, Sie hätten einen guten Charakter und Unternehmungsgeist. Aber mal von Anfang an: Können Sie lesen und schreiben?«
»Ja, Sir.« Er kam sich vor wie beim Schuldirektor.
»Und Sie haben noch nie im Büro gearbeitet?«
»Nein, Sir. Ich habe auf unserer Farm geholfen und in Onkel Patricks Rennstall. Und ich habe die Bücher für Mr. Warboys Farm geführt. Viehbestände, Molkereiproduktion und so weiter.«
»Das ist hier ganz ähnlich. Geldeingang, Geldausgang. Der Sekretär macht meine Termine, sorgt für ordnungsgemäße Rechnungen und dass ich für meine Dienste angemessen entlohnt werde. Er führt die Korrespondenz und die Ablage. Abgeschlossene Fälle werden archiviert. Er hat dann und wann Kontakt mit den Gerichten, es gibt einige Protokollfragen, die zu erlernen wären, aber das meiste sind grundlegende Arbeiten, und mein Sekretär könnte mich jederzeit fragen.«
Sean verzichtete auf den Hinweis, dass er bereits Kontakt zu Gerichten gehabt hatte. Die Stelle lag ihm am Herzen, selbst wenn seine Aussichten nicht allzu gut waren. Er hörte Pitcairn aufmerksam zu. Irgendwo in der Ferne, jenseits der Akten und Briefe, lag die andere Tür, von der Dr. Roberts gesprochen hatte, und Sean war fest entschlossen, sie zu öffnen.
Pitcairn fuhr fort, die Abläufe in seiner Kanzlei zu erläutern, und holte auch Unterlagen, an denen er Sean den korrekten Aufbau der Briefe und die Art von Fällen demonstrierte, die er für gewöhnlich übernahm. Seine Rede war umständlich, und er wiederholte sich mehrfach, doch Sean zuckte nicht mit der Wimper, sondern hörte mit verzweifelter Hoffnung zu.
»Ach, eins habe ich vergessen. Eine gut leserliche Handschrift ist sehr wichtig.«
Er schob Sean ein leeres Blatt und einen Stift hin. »Mr. Shanahan, bitte schreiben Sie etwas für mich.«
»Was soll ich denn schreiben?«
»Was Ihnen gerade einfällt.«
Sean fiel ein, wie Bruder Thomas ihm zur höheren Ehre Gottes mehrfach mit einem Stock auf die Finger gehauen hatte, dass seine Frostbeulen bluteten. Immerhin hatte er ihm damit eine passable Schrift eingebläut.
Er schrieb: Ordnung ist das erste Gesetz des Himmels.
»Aha. Sehr gut. Woher stammt das Zitat, Mr. Shanahan?«
»Ehrlich gesagt, ich kann mich nicht erinnern.«
»Von Alexander Pope, dem Dichter. Mal sehen. Wie wäre es mit einem Monat Probezeit? Danach zahle ich Ihnen zwei Pfund, und wir entscheiden gemeinsam, ob Sie bei mir bleiben oder nicht. Was halten Sie davon?«
»Sehr gern.« Sean nickte. »Und vielen Dank, Sir.«
Pitcairn begleitete ihn zur Tür. »Also nächsten Montag. Sie müssen Hemd und Halstuch tragen und eine Weste. Eine Jacke sollten Sie auch dabei haben, falls Sie Botengänge zum Gericht erledigen müssen.«
Der Anwalt berichtete seiner Frau kopfschüttelnd von dem Vorstellungsgespräch. »Ich glaube nicht, dass er etwas taugt, aber ich schuldete Roberts einen Gefallen. Er hat so viel für unsere kleine Sally getan.«
»Das ist gut. Ich bete immer für Allyn Roberts, wenn ich daran denke, dass wir unser kleines Mädchen fast verloren hätten. Aber weshalb sollte der Ire nichts taugen?«
»Meine Liebe, der Mann ist neunundzwanzig, ein geborener Anführer, den Roberts als eine Art Buschanwalt betrachtet. Schlau ist er gewiss. Aber er verbirgt auch seine wahre Persönlichkeit und hat sich mit seinem Dienstbotenstatus nicht abgefunden, obwohl er schon so lange Sträfling ist.«
»Er wird doch als dein Sekretär arbeiten, nicht als Dienstbote.«
»Für ihn ist es das Gleiche.«
»Aber du gibst ihm doch eine Chance, oder? Wenn er klug ist, wird er intuitiv erkennen, was von ihm verlangt wird.«
»Ich weiß nicht, ich sollte mich lieber nach einem jüngeren Mann umsehen«, meinte Pitcairn düster.
Sean achtete nicht mehr auf den
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