Insel der glühenden Sonne
»Ich hätte es gekonnt«, meinte Shanahan ungerührt.
»Mag sein, aber du bist auch kein Gentleman.«
»Tom Flood auch nicht. Trotz seiner Uniform.«
Barnaby nickte. »Das stimmt. Du kannst Herring ausrichten, er soll seine Sachen packen und sich beim Gouverneur zum Dienst melden. Vorher würde ich aber gern noch mit ihm sprechen. Ich brauche einen Ersatz für ihn.«
»Ich frage ihn, ob er jemanden kennt«, sagte Shanahan, doch er hegte schon eigene Pläne. Er würde gar nicht erst fragen, sondern Freddy Hines empfehlen, dessen Künste als Taschendieb im Gefängnis nicht zur Geltung kamen. Er würde ihn in den weltbesten Gärtner verwandeln und ihm einbläuen, dass er nicht mal einen Nagel von dieser Farm stehlen durfte. Und Flood käme auch noch an die Reihe.
Sean hätte Mr. Warboy beinahe verraten, dass Flood keineswegs ein Gentleman, sondern ein rechter Gauner war. Offiziere, die in den Kolonien stationiert waren, durften eigentlich keinen Handel treiben, doch die meisten hielten sich nicht daran, und ihre Vorgesetzten drückten oft ein Auge zu. Flood selbst besaß eine Sattlerei in der Davey Street, in der Sträflinge teures Reitzeug fertigten, das beste in ganz Hobart. Daneben betätigte sich der Leutnant als Schmuggler, indem er Wein und Schnaps von den Schiffen in der Storm Bay zu seinem Anwesen am Fluss bringen ließ.
Mr. Warboy hätte diese Bemerkung sicher mit Freude registriert, doch ohne Mitwisser würde Sean aus seinem Wissen mehr Kapital schlagen. Er beobachtete Flood, dessen Besitz bis hinunter zum Derwent reichte, schon seit geraumer Zeit.
Die felsige Küste mit den unzähligen Buchten konnte unmöglich vom Zoll kontrolliert werden, sodass sich dessen Aktivitäten auf den Hafen konzentrierten. Für Schmuggler wie Flood, die in der Stille der Nacht ihren illegalen Geschäften nachgingen, waren es paradiesische Zustände. Es hieß, er handle mit allem, was sich stehlen ließ, und besäße seetüchtige Boote, die er draußen vor der Küste belud. Der Schmuggel interessierte Sean nicht weiter, wohl aber die Lage der Boote, die Zugang zur Storm Bay besaßen.
Alle Schiffe, die die Bucht verließen, mussten an der Tasman-Halbinsel vorbei, auf der auch die Sträflingssiedlung Port Arthur lag, in der der heldenhafte Frank MacNamara gefangen gehalten wurde.
Sean musste sich das alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.
Freddy jubelte. Man habe ihm zugesagt, ihn auf Warboys Farm zu schicken, verkündete er seinen Zellengenossen.
»Ich bin jetzt ein verdammter Gärtner, nicht nur ein blöder Rasenmäher.«
Flo Quinlan lachte. »Du kannst ja nicht mal ’ne Mohnblume von ’ner Möhre unterscheiden, du Esel. McLeod ist als Gärtner abgestellt worden, nicht du.«
»Doch, Shanahan regelt das für mich. Ich muss nur sagen, dass ich alles über Gartenarbeit weiß. Mein Daddy hat es mir beigebracht, und Zack Herring hat mir ’ne Menge gezeigt, als wir zusammen gearbeitet haben.«
»Ihr wart im Steinbruch!«, meinte Flo fassungslos. »Ich hab zwischen den Felsen kein einziges Gänseblümchen gesehen. Du etwa, Singer?«
»Nein. In den Steinbrüchen gedeiht nichts, verfluchte Teufelslöcher.«
»Ja, aber Freddy hat dort sein neues Handwerk gelernt, und wer sind wir schon, dass wir ihm widersprechen.«
»Ihr habt gut lachen, aber morgen Abend werde ich an euch denken, wenn ich als freier Mann umherlaufe, während ihr noch im Kerker sitzt.«
Singer streckte sich auf seiner Pritsche aus. »Was ist mit deiner Hand?«, neckte er Hines. »Wenn sie nun wieder so schlimm wie gestern wird?«
»Ist schon besser.«
Flo sah auf. »Ging aber schnell. War das wieder bloß ein Trick?«
»Nein«, log Freddy.
»Mensch, Flo, was glaubst du, wie wir uns als Gärtner machen würden?«, fragte Singer leise.
»Verdammt gut. Richte Shanahan das aus, Freddy. Singer und ich züchten das weltbeste Unkraut.«
»Na und? Das kann ich auch lernen. Angus bringt es mir bei!«
Als sie den Speiseraum verließen, wurde Freddy aus der Reihe geholt und losgeschickt, um seinen verschlissenen Segeltuchsack zu holen, der seine
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