Insel der schwarzen Perlen
paradiesisch zu nennender Ort, beschützt von Wachleuten in Uniformen. Die Oberin hatte nicht zu viel versprochen. Sie sah medizinisches Personal und Studenten der Medizin, die in der neuen Forschungsstation verschwanden. Doch fiel sofort die unheimliche Stille auf, denn obwohl über tausend Kranke hier lebten, hörte man kaum ein Geräusch. Ãber der Halbinsel schwebte etwas Unheimliches, das sie nicht benennen konnte. Sie sah kaum Menschen, und als sie einen jungen Mann erblickte, den sie ansprechen wollte, ging er schnell weiter. Die Fenster der Häuser waren fast alle dicht verhangen, trotzdem hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden.
Mutter Marianne war nicht da, hatte jedoch alles vorbereiten lassen, und eine junge Nonne begleitete Elisa in die Forschungsklinik und führte sie zu Professor Jansons Büro. Dort musste sie warten. Von seinem Fenster aus konnte sie im Hof der Krankenstation eine Gruppe missgebildeter Patienten in weiÃen Kitteln in der Mittagssonne im Kreis herumlaufen sehen, während eine Krankenschwester sie zu allerlei gymnastischen Ãbungen aufforderte.
Sie erblickte auch einzelne Häuschen, die mit einem Zaun umgeben waren, hinter dem die Patienten in Isolation ebenfalls Ãbungen machten oder aber zumindest in der Sonne saÃen. Wahrscheinlich wurde erforscht, ob Sonne und Leibesübungen einen guten oder schlechten Einfluss auf die Krankheit hatten.
Dann sah sie Kelii. Er wurde von einem Wärter aus einem der Häuschen geholt und ging, nein, rannte vielmehr zum Krankenhaus, während der Wärter kaum mit ihm Schritt halten konnte.
»Fräulein Vogel!«
Elisa hatte den Professor nicht ins Zimmer kommen hören, da sie die Tür offen gelassen hatte.
»Mutter Marianne hat bereits von Ihnen geschwärmt und Sie bei mir angekündigt ⦠Willkommen in unserem kleinen Reich hier auf Kalaupapa!«
Erneut fand Elisa die Ãhnlichkeit mit seinem Bruder verblüffend. Heinrich war die zehn Jahre jüngere Ausgabe des Gouverneurs, aber heute sah er aus, als hätte er schon länger nicht mehr geschlafen. Ohne weitere BegrüÃungsworte forderte er Elisa auf, mit ihm zu kommen.
»Die Geburt hat vor über zehn Stunden begonnen, die Patientin hat keine Kraft mehr ⦠Falls Sie gekommen sind, um das Baby heute zu holen ⦠Die Oberin hat mich instruiert. Kommen Sie ⦠wir müssen uns beeilen. Vielleicht findet sich noch ein Operateur ⦠für einen Kaiserschnitt. Aber wappnen Sie sich, es ist kein hübscher Anblick!«
Er hatte untertrieben, denn Elisa wurde fast ohnmächtig, als sie den Raum betrat, in dem das Baby zur Welt kommen sollte. Okelani lag wimmernd auf einer Strohmatte, überall um sie herum war Blut, sie musste bereits innerlich gerissen sein. Kelii kniete bei ihr. Er versuchte sie zu ermutigen, doch sie konnte vor Schwäche kaum mehr ihren Kopf heben.
»Wasser ⦠bitte gebt mir Wasser.«
»Nein, sie darf jetzt nichts trinken ⦠Es würde den Blutfluss noch verstärken.«
Im sicheren Abstand zu dem Blut standen drei Ãrzte, einige Medizinstudenten und Krankenschwestern, beobachteten das Geschehen und kommentierten. Einige unterhielten sich untereinander. Noch hatte niemand Elisas Anwesenheit bemerkt. Der Professor schickte eine der Schwestern nach einem Kittel für Elisa.
»Hier herrschen strikte Hygienebedingungen ⦠das Baby müssen wir sofort desinfizieren, falls es überlebt ⦠doch ich fürchte, ohne einen Kaiserschnitt â¦Â«
»Elisa!« Kelii hatte sie entdeckt. Das kurze Aufstrahlen seiner Augen verlosch jedoch schnell, denn Okelani begann aus Leibeskräften zu schreien. Eine Presswehe folgte auf die andere, und das Blut strömte noch stärker. Sie konnte nicht aufhören zu schreien, bis Kelii ihr ein Stück Holz zwischen die Lippen steckte, auf das sie beiÃen konnte.
Hawaiianerinnen schrien nicht bei der Geburt, und sie jammerten auch nicht, wie Elisa wusste. Es gehörte sich nicht und war sogar eine Schande. Also musste Okelani schreckliche Schmerzen haben. Gewebe in ihrem Körper war gerissen, eine offene Ader pumpte Blut, und es würde nicht lange dauern, bis Mutter und Kind gestorben waren. Der Professor zuckte hilflos mit den Schultern, denn immer noch war kein williger Operateur in Sicht. Elisa begann zu verzweifeln.
»Kann denn hier niemand helfen ⦠Sie sehen doch alle aus wie fähige Ãrzte
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