Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
warum ein Mann wie Leon ausgerechnet sie geheiratet hatte?
Die Frauen lagen ihm zu Füßen. Er hätte unter den schönsten, reichsten, elegantesten beliebig auswählen können. Jetzt kannte sie den Grund. Sie, Chloe, besaß eine Eigenschaft, die sie zur geeignetsten Kandidatin für die Frau an seiner Seite gemacht hatte: ihre Naivität. Nahm man ihre blinde Verliebtheit und ihre sexuelle Unerfahrenheit hinzu, dann war es kein Wunder, dass Leon sie zu dieser überstürzten Heirat gedrängt hatte. Und jetzt bekam sie ein Kind von ihm!
Marisa musste ihre Gedanken erraten haben, denn sie trumpfte höhnisch auf: "Leon wird nicht erfreut darüber sein.
Ein Baby ist das Letzte, was er von dir will! Wie könnte er ein Kind mit dir haben wollen, wo er weiß, dass er nie Nachkommen mit der Frau zeugen darf, die er wirklich liebt?"
"Nein!"
Ohne Chloes verzweifelten Protest zu beachten, führte Marisa genüsslich aus, wie sehr Leon sie liebe und wie wenig ihm dagegen an Chloe läge.
Chloe erinnerte sich dumpf, dass sie schließlich das Schlafzimmer fluchtartig verlassen hatte. Von plötzlicher Übelkeit gepackt, glaubte sie in dem Raum ersticken zu müssen, in dem sie so berauschende Liebesnächte in Leons Armen erlebt hatte.
Marisa folgte ihr zum Treppenabsatz, wo Chloe stehen geblieben war, verzweifelt bemüht, Ordnung in das Chaos ihrer Gedanken zu bringen. Der unsägliche Schmerz in ihrem Herzen raubte ihr die Fähigkeit, klar zu denken. Und so konnte sie sich auch später nicht mehr genau erinnern, wie es eigentlich geschehen war. Sie sah sich noch oben an der Treppe stehen, und im nächsten Moment fühlte sie, wie Marisa sie stieß und sie schreiend die Stufen hinunterstürzte.
Ihre Schreie alarmierten die Hausbediensteten. Chloe erinnerte sich, wie sie sich schützend an den Bauch fasste, während sie in das schreckensbleiche, besorgte Gesicht der Haushälterin aufblickte. Etwas abseits nahm sie vage Marisa wahr, die jammernd die Hände rang.
Chloe wurde natürlich sofort ins Krankenhaus gebracht, wo man sich mehr als rührend um sie kümmerte. Ausgerechnet Marisa blieb die meiste Zeit an ihrem Bett, bis Leon aus Paris zurückkam. Gegen Chloes Protest hatte man darauf bestanden, ihn von dort zu rufen.
Nie wurde Chloe sein Gesicht vergessen, als er ihr Krankenzimmer betrat. Sie musste sich abwenden, damit er nicht die Tränen sah, die ihr über die Wangen rannen. Marisa eilte sofort zu ihm, und sie sprachen leise miteinander. Dann kam er mit versteinerter Miene an Chloes Bett.
"Warum?" fragte er verbittert. "Warum hast du mein Kind umgebracht?"
Die Krankenschwestern konnten sicher nicht verstehen, warum Chloe, die bis dahin alles so tapfer ertragen hatte, ausgerechnet beim Anblick ihres Mannes in haltloses Schluchzen ausbrach und nicht mehr zu beruhigen war. Doch die Tränen hatten die gewünschte Wirkung. Leon wurde von den besorgten Krankenschwestern rasch hinauskomplimentiert, aber er schien sowieso nicht sehr erpicht darauf zu sein, noch länger zu bleiben. Wahrscheinlich konnte er es gar nicht erwarten, wieder mit seiner Geliebten zusammen zu sein. Als er am nächsten Tag erneut ins Krankenhaus kam, weigerte Chloe sich, ihn zu sehen.
Am dritten Tag jedoch bestand er darauf, kurz mit ihr zu sprechen. Er teilte ihr mit, er müsse nach Paris zurück und würde nach seiner Rückkehr mit ihr über alles sprechen.
Dazu kam es nie. Sobald Chloe sicher war, dass Leon im Flugzeug nach Paris saß, ließ sie sich auf eigene Verantwortung aus dem Krankenhaus entlassen. Sie kehrte in die Wohnung zurück, um sich ihren Pass und genügend Geld für ein Flugticket zu holen. Ansonsten nahm sie nichts mit außer den Kleidern, die sie trug, und ihrem Ehering. Den Verlobungsring, einen kostbaren Diamanten, ließ sie auf dem Frisiertisch zurück zusammen mit dem übrigen Schmuck, den Leon ihr geschenkt hatte. Und sobald sie wieder in England war, legte sie auch den Ehering ab und streifte ihn nie wieder über.
Es dauerte ein Jahr, bis Chloe wieder richtig schlafen konnte und morgens nicht mit Tränen in den Augen aufwachte.
In Erinnerung daran, stand sie jetzt vom Frisiertisch auf und sah prüfend zur Schlafzimmertür. Zwar hatte sie keine Möglichkeit, Leon auszusperren, doch sie war entschlossen, sich nicht von ihm überrumpeln zu lassen.
Leon war unglaublich attraktiv und sexy, aber er war auch ein Lügner und Heuchler. Er hatte das Baby, das sie verloren hatte, nie gewollt, und doch gab er jetzt - da er anscheinend
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