Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
von dem Wunsch besessen war, einen Sohn zu haben - ihr die Schuld an dem Verlust! An dem Tag, als sie ihn kurz im Krankenhaus empfangen hatte, hatte sie ihm erzählt, was geschehen war in der vagen Hoffnung, Marisa möge Unrecht haben und Leon sie, Chloe, doch lieben. Aber er hatte sie nur eisig angesehen und kalt erwidert: "Marisa hat mich gewarnt, dass du versuchen würdest, ihr die Schuld zuzuschieben. Du weißt genau, dass es deine Schuld ist. Wenn du nicht so erpicht darauf gewesen wärst, in die Stadt zu rennen und mein Geld auszugeben, wärst du vielleicht achtsamer gewesen."
Diese ungerechtfertigte Anschuldigung war zu viel für Chloe gewesen. Schluchzend hatte sie Leon nur noch gebeten zu gehen und sie in Ruhe zu lassen.
4. KAPITEL
Chloe war sich nicht sicher, was sie geweckt hatte. Sie richtete sich halb auf, lauschte und spähte angestrengt in die Dunkelheit. "Leon?"
"Du hast auf mich gewartet? Wie schmeichelhaft! Aber schließlich bist du ja auch kein jungen Mädchen mehr, nicht wahr Chloe? Sondern eine Frau mit entsprechenden Wünschen und Bedürfnissen."
"Die dich nicht einschließen!" entgegnete Chloe heftig. "Was tust du hier?"
"Im Moment ziehe ich mich nur aus", antwortete er amüsiert, bevor er deutlich schärfer hinzufügte: "Du weißt genau, warum ich hier bin, Chloe, und je eher ..."
"Je eher es vorbei ist, desto eher hast du dein Kind und kannst dich von mir scheiden lassen?" ergänzte sie verbittert und fühlte bestürzt, dass ihr die Tränen kamen. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass sie den Verlust ihres ungeborenen Kindes nie ganz verwunden hatte. Urplötzlich wurde ihr eins bewusst: Selbst wenn es Leon gelingen sollte, sie mit Gewalt zu nehmen und ein Kind mit ihr zu zeugen, würde sie nie zulassen, dass er ihr dieses Kind wegnehmen würde. Weshalb es erst recht kein Kind geben durfte. Verzweifelt suchte sie nach einem Weg, Leons Pläne doch noch zu durchkreuzen.
Sie hörte, wie Leon ins Bad ging und das Wasser in der Dusche aufdrehte, und tastete rasch nach ihrem Morgenmantel.
Wenn es ihr nur gelänge, sich aus dem Schlafzimmer zu stehlen, solange er im Bad war ... Leons sprichwörtlicher griechischer Stolz würde es ihm sicher nicht erlauben, ihr durchs Haus zu folgen und sie zu zwingen, ins Schlafzimmer zurückzukehren auf die Gefahr, sämtliche Hausbediensteten aufzuwecken, Chloe machte sich im Salon Licht und setzte sich mit einer Zeitschrift aufs Sofa. Hier fühlte sie sich einigermaßen sicher.
Leon würde wohl kaum an einem so öffentlichen Ort eine lautstarke Auseinandersetzung mit ihr riskieren.
Vielleicht ist es ja doch gar nicht so schwierig, überlegte sie, als sich fünf Minuten später immer noch nichts im Haus rührte.
Sie musste einfach nur genauso geduldig abwarten wie Leon. Er glaubte nämlich zweifellos, dass sie ihm auf die Dauer sowieso nicht widerstehen könnte, weil er auf ihre alte Vernarrtheit in ihn baute. Doch die war längst verblasst. Wie er ganz richtig bemerkt hatte: Sie, Chloe, war jetzt eine Frau, und würde ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. Wenn sie ihn nur so lange in Schach halten könnte, bis die Kriticos hier eintrafen, dann würde sich doch sicher ein Weg finden, mit ihnen zusammen die Insel zu verlassen, oder? Irgendein Vorwand - ein Einkaufstrip nach Athen etwa oder irgendetwas anderes, dem Leon nicht öffentlich widersprechen konnte.
Allerdings hatte Leon immer noch ihren Pass. Chloe entschied sich, dieses Problem in Angriff zu nehmen, wenn es soweit war. Die aufregenden Ereignisse forderten ihren Tribut, und sie fühlte sich plötzlich unendlich müde. Sie legte sich auf dem Sofa zurück. Die Augen fielen ihr zu, die Zeitschrift entglitt ihren Händen und landete auf dem Fußboden.
Wenige Minuten später wurde die Zeitung wieder
aufgehoben und weggelegt. Leon war ins Wohnzimmer gekommen und betrachtete mit unergründlicher Miene die schlafende Frau, die so verletzlich wirkte.
War es ein sechster Sinn, der Chloe veranlasste, die Augen zu öffnen? Erschrocken blickte sie zu Leon auf.
"Schlaues Mädchen", flüsterte er spöttisch. "Aber vielleicht doch nicht schlau genug."
Er hatte sie überrumpelt. Sie spürte die Wärme seines Körpers, und als er sich zu ihr beugte, glitt sein kurzer Bademantel auseinander und entblößte seine breite gebräunte Brust.
Chloe schluckte. Ihr Herz pochte. Wider alle Vernunft verspürte sie das unbändige Verlangen, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Wie hatte sie vergessen
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