Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
vorgebracht hast.
"Ach ja?" Chloe hatte keine Lust, ihm zu erklären, dass ihr Mitgefühl für Marisa einfach dem Verständnis einer Frau für eine andere entsprang, die beide vom selben Mann verletzt worden waren. Leon war ihrer Ansicht nach unnötig hart zu seiner Halbschwester gewesen.
Das Abendessen verlief in angespanntem Schweigen. Chloe aß nur den Bediensteten zuliebe, registrierte aber kaum, was man ihr servierte. Nach dem Essen bestand Leon darauf, dass sie ihm noch bei einem Kaffee Gesellschaft leistete. "Ich habe es ernst gemeint, was ich vorhin Marisa - und dir gesagt habe", warnte er sie. "Ich erwarte, dass du die Rolle meiner mit mir versöhnten Ehefrau voll und ganz erfüllst, Chloe."
"Und wenn ich feststelle, dass mich diese Rolle überfordert?"
fragte sie spöttisch.
"Dann werde ich wohl für die nötige Unterstützung sorgen müssen, nicht wahr? Ich habe nicht vergessen, wie ausdrucksstark deine Augen sind, meine Liebe. Und ich kann mich noch sehr gut an ihren verträumten Blick erinnern, wenn du die Nacht in meinen Armen verbracht hattest. Das sollte genügen, um meine Gäste zu überzeugen."
Zehn Minuten später hatte Chloe ihren Kaffee getrunken und stand auf. Leons Vorschlag, noch etwas im Garten spazieren zu gehen, lehnte sie ab. "Warum? Damit du mir noch einmal die Unüberwindbarkeit deines Sicherheitssystems vor Augen führen kannst? Nein danke, ich bin bereits restlos überzeugt."
"Vielleicht fürchtest du nicht so sehr die Stärke meines Sicherheitssystems, sondern die Schwäche deines eigenen?"
fragte Leon provozierend, und sein spöttisches Lachen klang ihr in den Ohren, als sie den Salon verließ und in ihrem Schlafzimmer Zuflucht suchte.
Chloe blieb nicht lange ungestört. Kaum hatte sie sich ausgezogen und das cremefarbene Seidenneglige angezogen, das Gina ihr herausgelegt hatte, als die Schlafzimmertür ungestüm aufgerissen wurde.
"Machst du dich für Leon bereit?" Marisa ließ wütend den Blick über die reizvolle Figur ihrer Rivalin schweifen. "Mach dir nichts vor! In Wirklichkeit will er nicht dich, sondern nur einen Sohn. Du bist lediglich Mittel zum Zweck."
"Das hast du bereits gesagt." Chloe war selber überrascht, wie ruhig sie blieb. In der Vergangenheit hatte Marisa stets die Oberhand gehabt und es geschafft, sie, Chloe, zu unbedachten Erwiderungen zu reizen, die sie später bedauert hatte. Vielleicht war es das Gefühl, nichts mehr zu verlieren zu haben, das Chloe jetzt die Kraft gab, Leons Halbschwester gelassen zu begegnen.
Ja, sie fühlte sogar Mitleid, als sie in das bleiche Gesicht mit den tränengeröteten Augen blickte.
"Dir ist doch klar, warum er mich zu dieser Heirat zwingen will, oder?" zischte Marisa. "Er ist besessen von dem Wunsch nach einem Sohn. Nichts anderes zählt mehr für ihn - weder ich noch seine Geschäfte und schon gar nicht du. Aber sobald du ihm diesen Sohn geschenkt hast, wird sich das alles wieder ändern."
"Es muss ja gar nicht so sein." Chloe kam plötzlich eine Idee.
"Hilf mir, die Insel zu verlassen, Marisa. Du willst doch sicher nicht, dass ich hier bin."
"Natürlich nicht!" gab Marisa hasserfüllt zu. "Aber ohne Leons Wissen kannst du hier nicht fort, und er wird dich nicht gehen lassen, bevor er ein Kind von dir bekommen hat."
"Als Entschädigung für das, von dem er glaubt, ich hätte seinem Leben bewusst ein Ende gesetzt", ergänzte Chloe kühl.
"Doch wir beide wissen, dass es nicht so war, nicht wahr, Marisa? Du hast mich diese Treppe hinuntergestoßen ..."
Das Zuschlagen der Zimmertür verriet, dass Marisa ge gangen war. Chloe seufzte. Sie hätte es wissen müssen, dass Leons Halbschwester nicht bereit war, die Wahrheit zuzugeben. Und es war die Wahrheit. Marisa hatte sie damals ganz bewusst die Treppe hinuntergestoßen.
Chloe setzte sich an den Frisiertisch, um ihr Haar zu bürsten, und ließ die Gedanken in die Vergangenheit schweifen.
Natürlich war sie aufgeregt gewesen, Marisa kennen zu lernen. Als Leons engste lebende Verwandte nahm seine Halbschwester einen wichtigen Platz in seinem Leben ein, weshalb sie, Chloe, Leon auf dem Flug von Paris nach Athen damals mit Fragen bestürmt hatte. Seine einsilbigen Antworten hatte sie seiner Müdigkeit zugeschrieben, denn er hatte zuvor in Paris eine geschäftlich anstrengende Zeit gehabt. So wusste Chloe nur, dass Marisa dreizehn Jahre jünger war als Leon, das einzige Kind aus der zweiten Ehe seines Vaters und seit dem Tod der Eltern seiner Fürsorge anvertraut. Sie
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