Insel der Traumpfade Roman
umfing sie, als hielte die Welt den Atem an und wartete auf den Angriff.
Unter einem Donnerschlag fuhren sie alle zusammen. Einen Augenblick lang waren sie im grellen Licht des weißen Blitzes wie gebannt. Dann brach die Hölle los.
Die Schafe stoben auseinander, die Hunde rannten ihnen hinterher. Die Pferde scheuten und bäumten sich auf, die Ohren flach angelegt, die Nüstern gebläht, während Billy und Jack sie mühsam unter Kontrolle zu bringen versuchten.
Jack biss sich beinahe auf die Lippe, als sein Fuß aus dem Steigbügel rutschte. Er klammerte sich fest – würde er zu Boden stürzen, hätte er keine Chance.
Ein Donnerschlag nach dem anderen zerriss die Luft. Blitze zuckten mit Peitschenknall, und die umstehenden Bäume bogen sich. Der Boden bebte.
Dann fuhr ein Blitzstrahl wie ein glühendes Geschoss in einen Baum. Der trockene Stamm fing Feuer, die Funken entzündeten sich in der mit Eukalyptusduft geschwängerten Luft sofort zu einem Feuerball, der sich blitzschnell ins Unterholz ausbreitete. Der versengte Wald war leichte Beute. Blätter schrumpelten und wurden schwarz, Stämme verwandelten sich in Flammensäulen, und der Waldboden war schon bald mit einem Netz aus glühenden Feuerströmen überzogen.
»Bindi!«, rief Jack und suchte durch den Rauch hindurch wie wild nach dem Jungen. »Wo bist du?«
»Bindi, komm raus. Feuer! Feuer!« Billy drehte sein Pferd in einem engen Kreis. »Wir müssen ihn finden, Jack«, schrie er. »Vergiss die verdammten Schafe.«
»Boss! Boss!« Bindis hohe, verängstigte Stimme hallte von den Bäumen zu ihnen herüber.
»Bleib, wo du bist!«, brüllte Jack und zerrte an den Zügeln.
»Wir kommen und holen dich.« Er grub dem Pferd die Fersen in die Flanke und trieb es zwischen die Bäume auf den Jungen zu.
Alice taten sämtliche Knochen weh, aber wenigstens hatte sie sich nichts gebrochen. Mühsam kam sie auf die Beine und suchte den Horizont nach ihrem Pferd ab. Vor ihr erstreckte sich im eigenartigen Halbdunkel die leere Weide. Die einsamen Baumgruppen hoben sich als Silhouetten vor dem schwarzen Himmel ab, und es herrschte die tödliche Stille vor dem Sturm.
»Zum Henker mit dir«, knurrte sie mürrisch, hob ihren Hut auf und klopfte den Staub ab. »Bertie hätte mich nicht abgeworfen, geschweige denn im Stich gelassen.« Sie überdachte ihre Lage. Sie war mindestens fünf Reitstunden von der Farm entfernt, und wenn der alte Bertie noch lebte, hätte sie es wenigstens in zehn Stunden geschafft. So aber musste sie zu Fuß gehen.
Über den Bäumen in der Ferne flackerten gefährliche Blitze. Ein Einschlag, und ein Brand würde ausbrechen – das Schreckgespenst aller Siedler, denn er verwüstete oft Hunderte von Morgen und tötete alles, was ihm in die Quere kam, Menschen wie Tiere, schneller als ein Heuschreckenschwarm. Sie hoffte inständig, dass Jack und Billy den Busch gemieden hatten und bereits auf dem Rückweg nach Moonrakers waren.
Es wurde unheimlich dunkel, und Alice erkannte, dass sie in Gefahr schwebte. Das durchgehende Pferd hatte sie ohne Wasserschlauch und Gewehr zurückgelassen, und sollte sie auf marodierende Dingos treffen, die in Rudeln jagten, nachdem die Trockenheit alles fest im Griff hatte, wäre sie eine leichte Beute.
Sie betrachtete das verlassene Land, das sich in alle Himmelsrichtungen bis zum Horizont ausdehnte. Auch jetzt noch war es schön, majestätisch in seiner Einsamkeit und Pracht, und rührte an einen Teil ihrer Seele, der sich im tiefen Einklang mit diesem uralten, abgeschiedenen Ort befand. Trotzdem war es gefährlich, allein und unbewaffnet hier draußen zu sein …
Mühsam riss sie sich zusammen. »Solche Gedanken sind nicht gut«, murmelte sie. »Jack und Billy müssen zwangsläufig auch hier entlangkommen. Du wirst nicht lange allein sein.«
Sie watete durch den Schlamm des Wasserlochs und trank einen ausgiebigen Schluck, denn mehr Wasser würde sie nicht finden, und obwohl es faulig schmeckte, war es allemal besser, als zu verdursten. Mit einem letzten suchenden Blick zum Horizont zog sie die Hose hoch, drehte dem fernen Gewitter den Rücken zu und machte sich auf den Heimweg.
Nell ließ den Wagen im Hof stehen, rieb das Pferd trocken und ließ es im Pferch frei herumlaufen. Das Gewitter war noch ein gutes Stück entfernt, doch sie spürte die Spannung in der Luft und wusste, ihnen stand einiges bevor. Sie ging auf das Haus zu, das inzwischen sicher und stabil war, nachdem Billy drei weitere Räume angebaut
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