Insel der Traumpfade Roman
schien entschlossen, in ihr zu bleiben. Schließlich sank sie erschöpft in die Kissen, in Tränen der Enttäuschung und Pein aufgelöst. Irgend etwas stimmte da nicht – das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Sämtliche Farbe war aus Alice’ Gesicht gewichen. »Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Alice, ich liebe dich seit meiner Kindheit, und es war mein Traum, dass du meine Frau wirst, aber die Umstände haben uns verändert. Wir sind nicht mehr die Kinder, die wir früher einmal waren.«
Sie merkte, dass Jack es ernst meinte, und wollte schon antworten, doch er hob die Hand und schnitt ihr das Wort ab. »Ich bewundere deine Kraft und Unabhängigkeit, aber ich kann nicht zulassen, dass sie alles zerstört, was wir hier aufgebaut haben. Billy, Nell und ich haben den Preis für unsere Freiheit gezahlt, und wir werden sie verteidigen, auch wenn es Opfer kostet.«
»Du würdest unsere Ehe opfern?« Ihre Stimme war kaum zu vernehmen.
»Sogar die«, erwiderte er mit traurigem Blick. »Verstehst du, Alice, England hat uns ein für alle Mal entlassen, egal, ob wir danach untergehen oder überleben. Es gibt kein Zurück, nichts bindet uns mehr an jenes Land, deshalb sind wir entschlossen, dasBeste aus dem zu machen, was wir hier haben. Eines Tages, Alice, wird England erkennen, was Männer und Frauen zu leisten imstande sind, die man einst für wertlos erachtet hat – unsere Kinder und Kindeskinder werden wissen, dass wir uns nicht haben unterkriegen lassen.«
Heiße Tränen rannen über Alice’ Wangen. Noch nie hatte sie ihn so leidenschaftlich und mit einer derartigen Überzeugung reden hören. »Du warst nie wertlos für mich«, schluchzte sie, »und es tut mir leid, dass ich aus der Haut gefahren bin.« Sie ergriff seine von der Arbeit rauen Hände, die ihr so lieb waren. »Bitte, schick mich nicht zurück.«
»Dann entschuldigst du dich bei Nell?«
»Muss das sein?«
»Wenn du mich liebst, ja.«
»Das ist Erpressung, Jack.« Sie ließ seine Hände los.
»Wenn das notwendig ist, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen, dann ist es eben so«, sagte er stur.
Alice biss sich auf die Unterlippe. Jack war schon immer ein Dickkopf gewesen, und das hatte sich nicht geändert. Sie war im Begriff, den Streit fortzusetzen, besann sich aber eines Besseren. Wenn sie ein wie auch immer geartetes gemeinsames Leben führen sollten, müsste sie tun, worum er sie gebeten hatte – doch der Zank mit Nell nagte noch an ihr, und der Teufel sollte sie holen, wenn sie dieser Frau in allem nachgeben würde. Sie erhob sich. »Ich werde es machen«, sagte sie leise, »aber nur, weil ich dich liebe.«
»Da drüben brennen noch die Lampen«, meinte er und zeigte auf das Fenster. »Jetzt oder nie.«
Jack stellte sie auf die Probe, und sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. Sie war so lange unabhängig gewesen, und es fiel ihr schwer, Befehlen Folge zu leisten. Trotzdem würde sie es für ihn tun – oder für sie beide.
Als sie nach dem Türriegel griff, trat er auf sie zu. »Danke«, flüsterte er und küsste ihr die Tränen vom Gesicht. »Ich wollte nie,dass du weinst, aber ich musste dafür sorgen, dass du siehst, wie die Dinge liegen.«
Alice verzieh ihm und schmiegte sich an ihn, als er sie umarmte. Im Stillen schwor sie sich, in Zukunft ihre Meinung für sich zu behalten und ihr Temperament zu zügeln. Jack und die anderen hatten Entsetzliches erlebt, das sie sich kaum vorzustellen vermochte, und in ihrer Arroganz war sie kurz davor gewesen, ihre Ehe zu zerstören.
Sie lächelten sich an, verließen gemeinsam das Haus, und Alice schob ihre Hand unter seinen Arm, als sie durch die mondhelle Nacht gingen. Die Sterne funkelten, der Mond spiegelte sich wie eine Silbermünze im mäandernden Fluss. Alles würde gut werden.
»Gott sei Dank, dass ihr da seid!« Billy rannte die Stufen seiner Veranda hinunter, ihnen entgegen. Er packte Alice und zog sie zur Tür, wo die Kinder in ihren Nachthemden standen. »Schnell!«, sagte er heiser. »Nell hat Probleme!«
»Was ist passiert?«
Billy fuhr sich zerstreut mit der Hand durch das wirre Haar. »Nell hat Wehen, aber das Kind will nicht kommen – wir haben alles versucht.«
Alice raffte ihren Rock und stürmte an den Kindern vorbei ins Haus. Man musste ihr den Weg nicht zeigen, denn sie hörte Nell stöhnen. Sie rannte zur Schlafzimmertür.
Nell wand sich auf blutigen Laken, während Alice auf sie zueilte. »Komm, ich helfe dir – lass mal sehen, was
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