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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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gereist waren, brachen in Gelächter aus.
    »Keine Angst, du wirst hier nicht untätig herumsitzen, Bill«, sagte Taffy. »Ein halbes Dutzend Mal am Tag müssen wir zum Schaufeln raus.«
    So kam es auch tatsächlich. Allerdings begegneten sie unterwegs sehr viel weniger Gastfreundschaft, als Richard und Willy sie auf der Reise nach Gloucester mit Fuhrmann John erlebt hatten. Keine Scheunen öffneten sich für sie, und sie bekamen keine warmen Pferdedecken. Zu essen und zu trinken gab es nur Brot und Dünnbier. Sie mussten auf dem Wagen übernachten. Dazu stellten sie ihr Gepäck auf die Bänke, dann streckten sie sich auf dem Boden aus. Ihre Mäntel dienten als Decken, die Hüte als Kissen. Der heftige Regen drang durch das Verdeck aus Segeltuch, doch wenigstens fiel die Temperatur nicht unter null - ein kleiner Segen für die durchnässten und fröstelnden Häftlinge. Nur Ike besaß Stiefel. Die anderen trugen Schuhe und waren bald bis über die gefesselten Knöchel mit Schlamm bespritzt.
    Von Cheltenham und Oxford sahen sie nichts, da der Fuhrmann es vorzog, die beiden Städte mit seiner Fracht zu umfahren. Und High Wycombe bestand lediglich aus einer kurzen Häuserreihe an einem Hang, der so schlüpfrig war, dass die Pferde sich mit den Zugriemen verhedderten und den Wagen fast umwarfen. Die Gefangenen wurden von herumfliegenden Holzkisten getroffen und mussten schließlich aussteigen, um das sich gefährlich zur Seite neigende Gefährt wieder aufzurichten. Ike Rogers, der sich mit Pferden gut auskannte, half mit, die Tiere zu beruhigen und das Geschirr zu entwirren.
    Auch von London bekamen sie nichts mit, da einer der Gefängniswärter eine Abdeckung an der offenen Rückseite des Wagens anbrachte, sodass die Insassen überhaupt nicht mehr nach draußen sehen konnten. Das Schaukeln ging jedoch in ein weicheres Rollen über. Sie hatten eine gepflasterte Hauptstraße erreicht und brauchten den Wagen nicht mehr aus dem Schlamm auszugraben. Zahlreiche Geräusche drangen ins Wageninnere: Rufe und Flüche, Wiehern, Grölen, plötzliches Stimmengewirr, vielleicht weil sie an
der offenen Tür eines Wirtshauses vorbeifuhren, das Rumpeln einer Maschine und gelegentlich ein Krachen.
    Bei Einbruch der Nacht schoben die Gefängniswärter Brot und Dünnbier durch eine Klappe, dann überließen sie die Häftlinge ihrem Schicksal. Wer aufs Klo musste, hatte dafür einen Eimer. Am nächsten Morgen gab es erneut Brot und Dünnbier, dann ging es weiter durch den Lärm, zu dem sich jetzt noch das Geschrei von Verkäufern sowie einige interessante Gerüche gesellten - verfaulter Fisch, verfaultes Fleisch und verfaultes Gemüse. Die Bristoler sahen einander grinsend an, den anderen drohte übel zu werden.
    Zwei Tage lang durchquerten sie die Ausläufer der Großstadt, am Nachmittag des dritten Tages - zwanzig Tage nach der Abfahrt von Gloucester - entfernte jemand die Wagenabdeckung. Träge strömte vor ihnen ein mächtiger Fluss dahin, auf dessen Wasser Abfall schwamm. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, einer blassen Scheibe an einem weißlichen Himmel, hatten sie den Fluss überquert und befanden sich nun am südlichen Ufer. Woolwich, dachte Richard. Der Wagen stand an einem Anlegeplatz. Dort war ein morscher Kasten vertäut, der kaum noch Ähnlichkeit mit einem Schiff hatte. Auf einem bronzenen Schild konnte man mit Mühe die Aufschrift »Empfang« entziffern. Sehr passend.
    Die Wärter entfernten die Kette, mit der die Häftlinge aneinander gefesselt waren, und befahlen Richard und Ike, den Wagen zu verlassen. Ein wenig wacklig auf den Beinen sprangen sie hinunter, gefolgt von ihren Gefährten.
    »Denk dran, zwei Gruppen zu sechs Mann«, sagte Richard leise zu Ike.
    Sie wurden über einen hölzernen Steg in das Schiff geführt, noch bevor sie den Fluss oder den darauf schwimmenden Abfall näher betrachten konnten. Drinnen befreite man sie von ihren Ketten, Handschellen, Gürteln und Fußfesseln. Die Gefängniswärter von Gloucester nahmen die abgelegten Sachen in Empfang.
    Von Kisten, Säcken und Bündeln umgeben, warteten sie. Sie befanden sich in einer Art demolierten Offiziersmesse, an der Tür standen Wachen. Flucht war unmöglich, es sei denn, sie stürmten zu zwölft gleichzeitig los - aber wie sollte es dann weitergehen?

    Ein Mann kam herein. »Plünnen aus!«, brüllte er.
    Sie starrten ihn verständnislos an.
    »Na los, Plünnen aus!«
    Immer noch rührte sich niemand. Der Mann verdrehte die Augen und trat zu Richard,

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