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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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und Lauch.
    »Für mich nicht.« Ike schob den Topf mit dem Lauch von sich weg.
    »Iss, Ike«, befahl Richard. »Mein Vetter James sagt, wir müssen alles Gemüse essen, das wir bekommen, sonst kriegen wir Skorbut.«
    Ike war nicht überzeugt. »Mit diesem Zeug ließe sich nicht mal ein Schnupfen kurieren.«
    Richard kostete das Gemüse. »Stimmt«, sagte er. »Aber es ist nun mal was anderes als immer nur Brot, und deshalb esse ich es.«
    Nach dem Essen legten sie sich schweigend auf den Boden ihrer fensterlosen Zelle, wickelten sich in ihre Mäntel, schoben sich die Hüte als Kissen unter den Kopf und ließen sich von den sanften Wellen des Flusses in den Schlaf wiegen.
     
    Am nächsten Morgen wurden sie bei grauem Nieselregen vom Empfangsschiff auf einen offenen Leichter verfrachtet. Bisher war noch nichts wirklich Schlimmes passiert. Die Wärter waren zwar mürrisch und grob, doch solange die Häftlinge ihre Befehle schnell genug befolgten, ließen sie die Knüppel stecken. Die Holzkisten
weckten ganz offensichtlich ihre Neugierde, doch niemand inspizierte sie. Am Kai erfuhren sie den Grund dafür. Ein klein gewachsener, rundlicher Herr mit altmodischer Perücke und muffig riechendem Anzug eilte mit ausgestreckten Händen und strahlender Miene auf sie zu.
    »Ah, die zwölf aus Gloucester!«, rief er munter mit einem, wie die Häftlinge später erfuhren, schottischen Akzent. »Doktor Meadows hält euch für prächtige Burschen, und ich sehe, er hatte Recht. Ich bin Mr Campbell und ich habe das erfunden.« Seine Hand fegte den Nieselregen in einer großen Geste beiseite. »Schwimmende Gefängnisse! So viel gesünder als das Londoner Gefängnis, ja, als jedes Gefängnis. Ihr habt eure Sachen? Das ist ja ganz vortrefflich. Es steht schlimm um den, der das Recht eines Sträflings auf sein Hab und Gut nicht achtet. Neil! Neil, wo bist du?«
    Ein Mann, der aussah wie sein Zwillingsbruder, kletterte eilig vom Bug des Empfangs zur Anlegestelle hinunter und blieb schnaufend vor Mr Campbell stehen. »Hier, Duncan.«
    »Ausgezeichnet! Ich dachte, du solltest es nicht versäumen, einen Blick auf diese prächtigen Burschen zu werfen. Mein Bruder hilft mir«, erklärte er, als seien die Gefangenen ganz normale Menschen. »Momentan ist er jedoch für die Justitia und die Censor zuständig - ich bin mit meiner lieben Ceres zu beschäftigt - ein großartiges Schiff! Brandneu! Natürlich kommt ihr auf meine liebe Ceres - wie praktisch, dass ihr ein rundes Dutzend und in so guter Verfassung seid. Zwei Mannschaften für die beiden neuen Baggerboote.« Er trippelte aufgeregt auf der Stelle. »Phantastisch!« Dann eilte er davon. Sein Bruder folgte ihm blökend wie ein verirrtes Lamm.
    »Herrje! Was für ein komischer Kauz!«, sagte Will Whiting.
    »Ruhe!«, brüllte der Aufseher und ließ den Knüppel auf Whitings Arm niedersausen. »Und jetzt Abmarsch !«
    Das kapierten sie. Vorsichtig stiegen die zwölf Männer eine glitschige Treppe zu dem wartenden Leichter hinunter. Ike Rogers stützte unauffällig den halb ohnmächtigen Whiting.
    Durch den gespenstisch grauen Regen tauchten immer wieder
Abschnitte eines flachen, sumpfigen Ufers und die Umrisse einzelner Schiffe auf. Die Männer schlugen die Krägen hoch und drehten ihre Hüte so, dass das kaskadenartig herabprasselnde Wasser ihnen nicht in den Hals lief, sondern über die Schultern. Stumm hockten sie zwischen ihren Kisten, Säcken und Bündeln. Zwölf Ruderer, sechs auf jeder Seite, stießen den Leichter ab, wendeten und steuerten mit ausladenden, fließenden Bewegungen, die das ruhig dahinströmende Gewässer kaum aufwirbelten, auf die Mitte des breiten Flusses zu.
    Ungefähr dreihundert Meter vom südlichen oder kentischen Ufer entfernt lagen wie vier Kühe in einer Reihe vier Schiffe, gründlicher vertäut, als Richard es je bei einem Schiff gesehen hatte. Jedes Schiff wurde von so vielen Ankern festgehalten - die Anker hingen an Ketten statt der üblichen Trossen -, dass es sich nicht in der Strömung drehen konnte. Das kleinste Schiff lag am weitesten flussaufwärts in Richtung London, das größte bildete gewissermaßen die Nachhut am anderen Ende. Der Abstand zwischen den Schiffen betrug etwa hundert Meter.
    »Das Krankenhausschiff Guardian «, sagte eine Wache mit ausgestrecktem Arm. »Dann kommen die Censor , die Justitia und die Ceres .«
    Der Leichter nahm Kurs auf die Censor gegenüber der Anlegestelle, wendete dann und steuerte mit der Ebbe flussabwärts. So hatten

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