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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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sondern nur noch erstklassigen französischen Kognak.«
    »Bist du überhaupt verheiratet?«
    »Auch nicht. Ich habe zwei Mätressen, beide mit anderen, unbedeutenderen Männern verheiratet. Aber genug von mir. Ich will von dir hören, Richard.«
    Richard zuckte die Achseln. »Da gibt es nicht viel zu berichten, Jem. Ich war drei Monate im Bristol Newgate, dann genau ein Jahr in Gloucester, und jetzt bin ich seit zwei Wochen an Bord der Ceres . Wie lange ich hier bleiben werde, ist ungewiss. In Bristol habe ich hauptsächlich gelesen, in Gloucester Steine geschleppt. Auf der Ceres baggere ich den Themsegrund aus, eine Kleinigkeit für jemanden, der mit dem Schlamm im Hafen von Bristol aufgewachsen ist. Trotzdem ist es für uns alle schlimm, wenn wir die Leiche eines Babys heraufholen.«
    Dann kamen sie auf wichtige finanzielle Fragen zu sprechen.

    »Sykes wird keine Schwierigkeiten machen«, sagte Jem. »Ich habe ihm eine Guinee zugesteckt, und er machte daraufhin Männchen wie jeder andere Straßenköter. Sei also guten Mutes. Ich werde mit Mr Sykes eine Vereinbarung treffen, damit du dir an Essen und Trinken kaufen kannst, was du brauchst. Dasselbe gilt für deine Freunde. Du siehst zwar gut aus, bist aber dürr wie eine Bohnenstange.«
    Richard schüttelte den Kopf. »Kein zusätzliches Essen, Jem, und nur Dünnbier. Hier drinnen leben knapp hundert Männer. Alle beobachten mit Argusaugen, wie viel die Proviantmeister an die anderen Häftlinge ausgeben. Wir sparen unser Geld und werden bei Bedarf auf dich zurückkommen. Immerhin hatten wir das Glück, einem ehrgeizigen Baggerführer zugeteilt zu werden, und die Themse ist voller Proviantboote. Folglich bekommen wir mittags auf unserem Baggerboot für zwei Pennys eine ordentliche Mahlzeit mit gesalzenem Fisch, frischem Obst und Gemüse. Auch Ike Rogers und seine Leute konnten ihren Baggerführer für sich einspannen.«
    »Kaum zu glauben«, sagte Jem langsam, »du weißt genau, was du willst, du scheinst geradezu Spaß an deiner Lage zu finden. Das liegt sicher an der Verantwortung, die du hast.«
    »Es ist der Glaube an Gott, der mir Kraft gibt. Meinen Glauben habe ich nicht verloren, Jem. Für einen Sträfling habe ich sehr viel Glück gehabt. Eine gewisse Lizzie Lock hat in Gloucester auf meine Sachen aufgepasst und mir das Nähen beigebracht. Sie war übrigens entzückt über den Hut, ich kann dir gar nicht genug danken. Wir vermissen die Frauen, aus den Gründen, die ich dir, wie ich mich entsinne, in einem meiner Briefe erläuterte. Aber ich erfreue mich nach wie vor guter Gesundheit und denke klarer denn je. Und wir konnten uns hier unter lauter verrohten Menschen dank des habgierigen William Stanley und eines ehrgeizigen Baggerführers, der Methodismus mit Rum, Tabak und Faulheit verbindet, eine Nische schaffen. Die beiden sind komische Gesellen, aber ich habe schon schlimmere erlebt.«
    Der Filterstein stand auf dem Tisch neben Richard. Wie abwesend streckte Richard die Hand aus und strich über ihn. Gespanntes
Schweigen senkte sich über die Sträflinge, die dem Gespräch Richards mit dem Besucher aus einiger Entfernung mit unverhohlener Neugier folgten. Mr Thistlethwaite begriff nicht, wie Richard mit seiner abwesenden Geste eine solche Reaktion hatte auslösen können. Seine Neugier war geweckt.
    »Die Habgier ist des Sträflings bester Freund, wenn er kein Geld hat«, fuhr Richard fort und zog die Hand wieder zurück. »Hier sind die Menschen um einiges billiger als dreißig Silberlinge. Am meisten tun mir die Männer aus Northumbria und Liverpool Leid. Sie besitzen zusammen nicht einen einzigen Penny. Deshalb sterben sie meist an Krankheit oder aus Verzweiflung. Mit einigen von ihnen scheint Gott allerdings etwas vorzuhaben - sie überleben. Die Londoner über uns sind erstaunlich zäh und verschlagen wie verhungernde Ratten. Ich habe den Eindruck, sie leben nach ganz anderen Gesetzen. Vielleicht haben große Städte wie Nationen eigene Mentalitäten. Allerdings glaube ich nicht die Hälfte von dem, was auf unserem Deck über die Londoner erzählt wird. Auf unserem Deck wohnt das restliche England. Die Gefängniswärter sind käuflich und haben die seltsamsten Vorlieben. Und dann gibt es noch Leute wie William Stanley aus Seend. Der versucht hier rauszuholen, was rauszuholen ist. Und wir alle, Hanks, Sykes, die großen und kleinen Gauner, Ganoven und Diebe und die armen Teufel, die da drüben auf den Tischen verrecken, wir stehen mit einem Fuß im

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