Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
soll.«
    »Du hast mir damals davon abgeraten, sie zu heiraten«, sagte Richard mit einem Seufzer. »Hätte ich gewusst, dass sie hier ist, wäre ich darauf vorbereitet gewesen, doch so war es wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich hatte gerade Will Connelly entdeckt, da hing sie plötzlich an meinem Hals und küsste mich. Ich - ich roch sie und spürte sie, Stephen. Sehen konnte ich sie nicht; dazu war sie viel zu nahe. Solange ich mit ihr zusammen war, lagen immer noch andere Gerüche in der Luft, keiner davon angenehm. In Port Jackson stank es und in Gloucester auch. Jetzt dagegen hatte ich plötzlich nur noch den strengen Geruch einer Frau in der Nase - nicht dass Lizzie stinken würde, das tut sie wirklich nicht, ich konnte nur nicht ertragen, wie sie roch. Ich weiß selbst nicht, warum. Und ich bin weiß Gott nicht stolz auf das, was ich getan habe. Aber ich empfand in diesem Augenblick nichts als Ekel - als wäre ich im Dunkeln in ein Spinnennetz gelaufen. Ich stieß sie instinktiv von mir weg. Und dann war es zu spät für eine Umkehr, also versuchte ich es erst gar nicht.«
    Sie hatten Stephens Haus erreicht. Stephen ging hinein und sah Richard durch das Fenster nach, bis seine Fackel im Tal verschwand. Es war spät geworden. Stephen sah auf die Uhr, presste die Lippen zusammen und überlegte, wie groß sein Hunger war. Sollte er eine Suppe warm machen oder sich mit Brot begnügen? Captain Hunter wohnte inzwischen in der Gouverneursresidenz und Johnny mehr bei ihm als bei Stephen - ach ja. Wärm dir die Suppe, Stephen, es ist kalt genug für ein Feuer.
    Stephen war gerade beim Feuermachen, als auf einmal Richard zurückkehrte und ins Zimmer stürmte. »Ich will einfach nur meine Ruhe haben und allein sein - mit meinen Büchern und meinem Hund!«, sagte er heftig.
    »Was willst du dann hier bei mir?«, fragte Stephen verdutzt. »Im Tal droben hast du doch deine Ruhe.«

    »Schon, aber … aber …«, stotterte Richard.
    »Dann gib doch einfach zu, dass du dich schuldig fühlst, weil du so grob zu Lizzie Lock warst - auch wenn du nicht anders konntest. Ich kenne keinen einzigen Menschen, der so hohe moralische Ansprüche an sich stellt wie du - du bist ein richtiger protestantischer Märtyrer!«
    »Hör auf zu predigen!«, fuhr Richard ihn an. »Dein Problem ist, dass du dich nie entscheiden kannst, ob du nun Katholik oder Protestant sein willst oder gar Märtyrer! Warum gestehst du dir nicht einfach ein, dass du Johnny für dich allein willst und Hunter am liebsten verdreschen würdest?«
    Eine volle Minute lang funkelten die beiden Männer sich wütend an. Keiner der beiden rührte sich. Dann begannen ihre Lippen gleichzeitig zu zucken, und sie lachten, bis ihnen die Tränen kamen.
    »Das reinigt die Luft«, sagte Stephen und wischte sich mit einem Tuch das Gesicht ab.
    »Da hast du Recht«, sagte Richard, immer noch lachend, und lieh sich das Tuch.
     
    John Lawrell zog bei Richard ein und so schnell wieder aus, dass dem armen Kerl der nicht besonders helle Kopf schwirrte. Innerhalb eines Monats hatte Richard ihm am hinteren Ende seines kleinen Grundstücks eine komfortable Hütte gebaut, deren vordere Wand weder eine Tür noch eine Fensteröffnung hatte. Wenn Lawrell nun schnarchte, hörte Richard es nicht. Lawrell erwies sich als ein hervorragender Gärtner, doch er hatte eine Schwäche: Er spielte für sein Leben gern Karten und musste davon abgehalten werden, seine knappen Essensrationen zu verspielen.
    Sydney Town entwickelte sich immer mehr zu einer großen Siedlung mit richtigen Straßen und langen Reihen kleiner Holzhütten, die Nat Lucas und seine Schreiner so schnell zusammenzimmerten, wie Richards Säger sie mit Brettern und Balken versorgen konnten. Eine der Sägegruben produzierte nun Holz für Schindeln. Die Hütten sollten Schindeldächer bekommen, doch da das Holz erst sechs Wochen in Salzwasser gelegt werden musste,
bevor es gespalten werden konnte, mussten sie vorübergehend mit Flachs gedeckt werden. Ross wies die Matrosen von der Sirius an, auf der ganzen Insel nach Flachs zu suchen. Es kam für ihn nicht in Frage, dass sie nichts taten.
    Da es vorerst nicht möglich war, Port Jackson mit Kalk zu versorgen, wurden die Kalksteinvorräte zum Bau von Fundamenten und Kaminen verwendet. Unter den Neuankömmlingen waren vier Böttcher. Sie hatten ein für Fässer geeignetes einheimisches Hartholz entdeckt, das in der Sägegrube zurechtgesägt wurde, die auch die Schindeln produzierte, sodass

Weitere Kostenlose Bücher