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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Schüssel und trocknete sich mit einem alten Leintuch ab. Richard stieg in das Waschwasser seines Vaters und seifte sich gründlich ein.
    »Seid ihr fertig?«, rief Mag von oben.
    »Noch nicht!«, erwiderte Dick und zog Richard, der sich inzwischen abtrocknete, zum Fenster, wo es etwas heller war. Dort besah er sich seinen Sohn genau. »Ich hoffe, du hast dir weder Tripper noch Syphilis geholt.«
    »Bestimmt nicht. Die Dame ist etwas Besonderes.«
    »Wo hast du sie kennen gelernt?«
    »Bei Insell.«
    »Sie ist Insells abgelegte Freundin?«

    »Nein! Eher würde sie sich umbringen.« Richard runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf. »Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß gar nicht, was sie an mir findet. Heute Morgen um acht bin ich wieder mit ihr verabredet.«
    Dick pfiff durch die Zähne. »Ist es so dringend?«
    »So dringend, wie es nur sein kann.« Richard kämmte sich die nassen Haare. »Es ist seltsam, Vater: Eigentlich mag ich sie überhaupt nicht, aber ich kann nicht genug von ihr kriegen. Soll ich überhaupt wieder hingehen? Oder für immer von ihr wegbleiben?«
    »Geh hin, Richard! Wenn es so dringend ist, musst du mitten durch. Nur so kannst du hoffen, die Leidenschaft hinter dir zu lassen.«
    »Und wenn sie mich verschlingt?«
    »Ich werde dafür beten, dass das nicht passiert.«
    Wenigstens habe ich die Billigung meines Vaters, dachte Richard, als er die Tür des Cooper’s Arms hinter sich zuzog. Nie hätte ich gedacht, dass er mich verstehen würde. Ob er etwas Ähnliches erlebt hat?
    Richard überlegte, warum er zu Annemarie ging. War er ihr schon sexuell hörig oder war er einfach nur ausgehungert? In Bristol sprach man natürlich niemals von »Sex«. Das war für eine gottesfürchtige Kleinstadt, in der man sonst nicht um die Dinge herumredete, zu brutal und direkt. »Sex« nahm dem Liebesakt jegliche Liebe oder Moral und verwandelte ihn in etwas Tierisches. Doch genau deswegen ging er zu Annemarie.
    Er dachte an William Henry. Der irgendwo lebte, aber nicht heim konnte, vielleicht weil er als Schiffsjunge auf ein Schiff verschleppt worden war. So etwas passierte, vor allem bei hübschen Jungen. Lieber Gott, nicht so ein Leben für meinen Jungen! Bitte, lieber Gott, lass ihn vorher sterben! Und ich gehe jetzt zu diesem Luder, das mich hypnotisiert hat wie eine Schlange eine Ratte.
     
    Jedes Mal, wenn Richard zu Annemarie ging - und eine Woche lang ging er täglich -, loderte das Feuer noch heftiger. Doch Scham und das schmerzliche Gefühl, William Henry im Stich zu lassen,
trieben ihn zum Rum zurück. Alles ging in ihm durcheinander, ein Bild jagte das andere. Annemarie, das besorgte Gesicht seines Vaters, William Henry, der ihn von weit draußen auf dem Meer rief, Sex, Musik, Schlangen und Rum. Rum, um die Begegnungen mit Annemarie vergessen zu können. Er hasste sie, die französische Nutte, und konnte doch nicht genug von ihr bekommen. Schlimmer noch, er hasste sich selbst.
    Dann ließ sie ihm durch Willy Insell überraschend ausrichten, sie könne ihn einige Zeit nicht sehen. Sie nannte keinen Grund. Insell hatte auch keine Erklärung dafür. Er wusste nur, dass die Dame zurzeit nicht in ihrer Dachstube wohnte, und vermutete, sie sei bei Mrs Barton. Annemarie auch noch zu verlieren, ertrage ich nicht, dachte Richard niedergeschlagen. Aber meine Gefühle für sie sind schwer, dumpf und dunkel wie Blei. Warum setzt es mir dann so zu, sie zu verlieren? Die Leidenschaft brennt immer noch in mir.
    Er gab die Suche nach Annemarie und nach seinem Sohn auf, saß den ganzen Tag im Cooper’s Arms und tröstete sich mit Rum. Er sprach mit niemandem, und die Feder, mit der er an Mr James Thistlethwaite hatte schreiben wollen, lag unbenutzt vor ihm.
    Dick wandte sich an Vetter James um Rat. »Jim, sag du mir, was ich tun soll.«
    »Ich bin Apotheker und kein Seelendoktor. Richards Seele ist krank, nicht sein Körper. Aber diese Frau ist nicht der Grund. Sie ist nur ein Symptom der Krankheit, die nach William Henrys Tod ausgebrochen ist.«
    »Glaubst du fest daran, dass William Henry ertrunken ist?«
    Vetter James nickte entschieden. »Ich habe nicht den geringsten Zweifel.« Er seufzte. »Anfangs glaubte ich, es sei besser, wenn Richard weiter hofft, aber dann fing er an zu trinken, und ich änderte meine Meinung. Er braucht einen Arzt für seine Seele. Rum ist jedenfalls nicht die richtige Medizin.«
    »Leider hat Reverend James manchmal so feste Prinzipien«, sagte Dick. »Du bist der Mann mit dem

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