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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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für gesellige Zusammenkünfte behaglich hergerichtet worden war. An einem Tisch saßen drei Leute: Sein Anwalt Mr Hyde, Vetter James, der Apotheker, und Vetter James, der Kirchenmann. Beide Vettern waren in Tränen aufgelöst, Mr Hyde machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Der Wärter verließ das Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Sie sehen schlimmer aus, als ich mich fühle, dachte Richard. Ich war nicht überrascht. Im Grunde meines Herzens
wusste ich, dass es so kommen würde. Justitia ist blind, doch nicht in einem romantischen Sinn, wie man es uns in Colstons Schule lehrte. Sie ist blind gegenüber dem einzelnen Menschen und seinen Motiven. Richter und Geschworene glauben das Nächstliegende. Sie sind unfähig, kompliziertere Zusammenhänge zu durchschauen. Die Zeugenaussagen der Anwohner beruhen alle auf Klatsch. Ceely hat lediglich Gerüchte geschürt und sein Scherflein beigesteuert. Robert Jones hat er bezahlt - er hat natürlich alle bezahlt, doch außer im Fall von Jones konnte er seine Zuwendungen als kleine Aufmerksamkeiten und Geschenke an Leute tarnen, die ihn, seine Familie und das Personal kannten. Natürlich begriffen diese Leute, dass er sie bestach! Aber unter Eid befragt, hätten sie es abstreiten können. Jones dagegen war eindeutig gekauft worden. Oder Annemarie hatte ihm das mit der Geschichte gesagt. Dann hätte sie von Anfang an zu Ceely gehört und wäre an der Verschwörung beteiligt gewesen. Sie hätte mich ganz bewusst in eine Falle gelockt, und alles zwischen uns wäre eine einzige Lüge gewesen. Ich wurde auf Grund der Aussage einer Zeugin verhaftet, die gar nicht erschien: Annemarie Latour. Doch der Richter ließ es dabei bewenden, mich zu fragen, wo sie sei.
    Während Richard schwieg, hatten seine Vettern Zeit, sich die Tränen abzuwischen und ihre Fassung wiederzuerlangen. Und Mr Hyde hatte Gelegenheit, Richard aus größerer Nähe zu betrachten, als es ihm im Gerichtssaal möglich gewesen war. Ein stattlicher Bursche, groß und schlank - schade, dass er keine Perücke getragen hatte, er hätte vor Gericht einen besseren Eindruck gemacht. In der Verhandlung war es letztlich darum gegangen, ob der Angeklagte ein ehrbarer Mann war, der die Untreue seiner Frau als unerträgliche Beleidigung empfunden hatte, oder ob er aus der Untreue seiner Frau sozusagen Kapital geschlagen hatte. Natürlich wusste Mr Hyde von den Vettern James, dass Annemarie Latour nicht die Frau seines Klienten war, doch hatte er darauf verzichtet, dies vor Gericht richtig zu stellen. Wenn bekannt geworden wäre, dass Annemarie eine Hure war, hätte das Richards Lage nur verschlimmert. Was Richard zum Verhängnis geworden war, war sein angeblicher Vorsatz. Richter waren notorisch voreingenommen
gegen Angeklagte, die ihre Straftaten vorsätzlich begingen, und die Geschworenen fällten das Urteil, das der Richter ihnen nahe legte.
    Vetter James, der Apotheker, steckte sein Taschentuch ein und brach das lange Schweigen. »Wir haben diesen Raum gemietet und können hier bleiben, solange wir wollen«, sagte er. »Es tut mir so Leid, Richard! Das Ganze war ein abgekartetes Spiel. Die Zeugen gehörten alle zum Kreis um Ceely.«
    »Ich wüsste nur gern, warum Mr Benjamin Fisher vom Steueramt nicht als Leumundszeuge für mich auftrat«, sagte Richard. »Dann wäre der Prozess vielleicht ganz anders ausgegangen.«
    Der Mund von Reverend James wurde zu einem Strich. »Mr Fisher sagte, er habe keine Zeit für eine Reise von acht Meilen. In Wahrheit ist er damit beschäftigt, mit Thomas Cave einen Handel abzuschließen und schert sich nicht um das Schicksal seines Hauptzeugen.«
    »Doch seien Sie versichert, Mr Morgan«, sagte Mr Hyde, der ohne seine Anwaltskluft längst nicht so imposant aussah, »dass ich, wenn ich beim Innenminister Lord Sydney Einspruch gegen das Urteil einlege, ein Schreiben von Mr Fisher beifügen werde.«
    »Kann ich denn nicht bei einem Gericht Einspruch einlegen?«, fragte Richard.
    »Nein, Sie können nur ein Gnadengesuch an den König richten. Ich werde das Schreiben aufsetzen, sobald ich wieder in London bin.«
    »Trinke ein Glas Portwein, Richard«, sagte Vetter James, der Apotheker.
    »Lieber nicht, ich habe heute noch nichts gegessen.«
    Die Tür ging auf, und eine Frau trug ein Tablett mit Brot, Butter, gegrillten Würstchen, Pastinaken, Kohl und einem großen Humpen herein. Sie setzte es mit ausdruckslosem Gesicht ab, machte einen Knicks vor den Herren und ging wieder.
    »Iss,

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