Insel der Versuchung
Wächter als die Bestimmung ihres Lebens. Wie konnte er sie da zu überzeugen suchen, das aufzugeben? Dazu hatte er weder das Recht, noch war er sicher, ob er es überhaupt wollte.
Doch was war die Alternative? Nach England heimzukehren zu einer sicheren, aber langweiligen Existenz? Welchen Sinn hätte sein Leben dann? Konnte er es ertragen, den Rest seines Lebens ohne Caro zu sein?
Er wollte keine leere, sinnlose Existenz. Er wollte ein Ziel in seinem Leben, eine Zukunft, in der er jedem neuen Tag erwartungsvoll entgegensehen konnte. Er wollte Freunde, Liebe, eine Familie. Er wollte Freude.
So lange hatte er keinen Funken Freude empfunden. Bis Caro kam. Sie war seine Freude.
Nie hatte er sich so schmerzlich nach einem anderen Menschen gesehnt. Wenn er sich entschloss, Kyrene zu verlassen, würde er sie aufgeben. Und ohne Zweifel wäre es wie ein Licht, das in seinem Leben verlosch.
Vielleicht würde er gelegentlich die Insel besuchen können.
Aber er wollte mehr als nur ein paar gestohlene Stunden mit Caro. Er wollte sie wirklich zu seiner Frau machen. Er wollte sie als Geliebte, Gefährtin, als Frau an seiner Seite. Für immer und ewig.
Und wenn er ihre Einwände entkräftete und sie davon überzeugte, ihn zu heiraten? Zuerst würde er akzeptieren müssen, wer Caro war. Er würde mit seiner Furcht vor ihrem möglichen Tod klarkommen müssen. Sich damit abfinden müssen, dass er sie nicht in Watte packen konnte.
Wenn er ehrlich mit sich selbst war, er würde nie das besondere Feuer in ihr ersticken wollen, den mutigen, entschlossenen Geist, der sie ausmachte. Ihre Bereitwilligkeit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, war ein Teil dessen, was sie zu etwas so Besonderem machte. Ihr Mut war das, was er am meisten an ihr liebte ...
Max Herz setzte einen Schlag lang aus. Liebe. Empfand er das für Caro? Das Gefühl hatte er nie kennen gelernt, daher fehlten ihm Vergleichsmöglichkeiten. Dennoch hatte er plötzlich keine Zweifel mehr. Er liebte sie.
Plötzlich fuhr Max herum und sucht auf dem Deck des Schoners nach Caro. Sie war da, schritt unruhig auf und ab und wich seinem Blick aus, wie sie es schon den ganzen Morgen getan hatte.
Sein Verstand wankte noch unter der plötzlichen Erkenntnis seiner wahren Gefühle. Er liebte Caro wirklich und wahrhaftig. Nicht wegen des heftigen Verlangens, das er immer für sie verspürt hatte, sondern wegen ihres Mutes, ihres Ehrgefühls, ihrer Stärke und inneren Schönheit.
Sie hatte von ihm Besitz ergriffen.
Und im Gegenzug wollte er von ihr Besitz ergreifen. Er wollte sie auf jede nur mögliche Weise an sich binden.
Seine Gedanken wanderten zurück zu ihrer gemeinsamen Nacht in der Berberfestung, zu der erschütternden Leidenschaft, die sie dort erlebt hatten - und wieder letzte Nacht. Er hatte beide Male nichts von sich zurückgehalten. Er war einzig von dem brennenden Verlangen angetrieben gewesen, sich so tief mit ihr zu vereinigen, dass sie eins wurden. So fest, so umfassend, dass keiner von ihnen beiden sich davon befreien konnte.
War das der Grund, warum er sich nicht aus ihr zurückgezogen hatte, als sein Höhepunkt nahte, wie er es hätte tun müssen?
War er dem ureigensten männlichen Wunsch erlegen, neues Leben zu zeugen? Oder war es so, dass Caro zu der Seinen zu machen für ihn lebenswichtig geworden war?
Er hatte nie Kinder gewollt. Nie das Risiko eingehen wollen, jemanden zu haben, der ihm so lieb und teuer war, nur um ihn am Ende vielleicht zu verlieren. Aber das Bild von Caro, die sein Kind unter dem Herzen trug, erfüllte ihn mit unendlicher Zärtlichkeit.
Würde sie seine Kinder bekommen wollen? Wollte sie überhaupt Kinder? Sie hatte behauptet...
Max schüttelte heftig den Kopf. All diese Fragen stürmten zu plötzlich und zu schnell auf seinen armen verwirrten Verstand ein, und keine von ihnen war von Bedeutung, wenn Caro sich weigerte, ihn zu heiraten. Erst würde er sie davon überzeugen müssen, dass er für sie kein Opfer brachte. Er würde ihr seine Liebe beweisen müssen. Und zuallererst würde er sich seinen eigenen Dämonen stellen.
Er drehte sich wieder zum Meer um und starrte auf die Wellen.
Erst eine Weile später fiel Max auf, dass sie die südlichste Spitze der Insel umrundet hatten und sich dem Hafen näherten. Sie waren nah genug, dass er die strahlend weißen Mauern der Stadt darüber ausmachen konnte, die im Sonnenschein schimmerten.
Er erinnerte sich an das letzte Mal, als er diese Reise gemacht hatte, erst vor wenigen Wochen.
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