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Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)

Titel: Insel hinter dem Regenbogen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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Land erlebt hatte – der Überzeugung, dass Mädchen in Olivias Alter für gewöhnlich mehr Freiheiten hatten.
    Schweigend zeichneten sie. Olivia konzentrierte sich auf jede Linie und hatte ihre Zungenspitze zwischen Lippen und Mundwinkel eingeklemmt. Sie hatte Talent und, was noch wichtiger war, Spaß an der Sache. Janya versuchte, genau das einzufangen, als sie das Gesicht des Mädchens zeichnete.
    „Kann ich mal sehen?“, fragte Olivia, als sie bemerkte, dass Janya sie tatsächlich zeichnete.
    Janya drehte den Skizzenblock zu ihr herum.
    „Bin ich wirklich so hübsch?“
    „Kohlestifte werden deinem reizenden Gesicht nicht gerecht.“
    Olivia neigte den Kopf. „Machst du es für mich fertig? Darf ich es dann behalten?“
    Janya lächelte. „Die Zeichnung ist nur für dich.“
    Wanda erwachte mit Kopfschmerzen, und im Laufe dieses Montags wurde es nur noch schlimmer. Als sie ihre Schicht beendete – an einem heißen Tag mit lausigen Trinkgeldern –, fühlte sie sich wie ein Köder, der ein paar Mal zu oft ins Wasser getaucht worden war.
    Die Hitze und die Trinkgelder waren nicht allein schuld an ihrer Verfassung. Sie war es leid, sich für sich selbst zu schämen. Scham hatte ja ihre Daseinsberechtigung, aber wenn es eine Frau traf, die sowieso schon niedergeschlagen war, konnten Schuldgefühle ihr den Rest geben. Und Wanda hatte die Nase voll von Scham und Reue. Sie war entschlossen, wieder das schamlose Luder von einst zu werden.
    Sobald sie Janya Kapur gesagt hatte, dass es ihr wegen des Pies leidtat.
    Wem wollte sie etwas vormachen? Um ehrlich zu sein, tat es ihr nicht nur leid, dass sie Schweineschmalz und Gelatine verwendet hatte. Sie hatte Janyas Frage an sich schon für albern gehalten und gar nicht darüber nachgedacht. Und vielleicht taten ihr auch einige andere Dinge, die sie gesagt und getan hatte, ein klitzekleines bisschen leid.
    Sie hätte nie gedacht, dass sie Vorurteile hatte. Sie hatte Vorlieben und feste Einstellungen zu gewissen Dingen. Doch sie hatte nie darüber nachgedacht, dass Fremde, denen sie mit dieser Haltung gegenübertrat, sich in diesem Land noch mehr als Fremde fühlen könnten. Und dass sie es dadurch noch unwahrscheinlicher machen könnte, dass sie sich die Mühe machten, sich einzufinden und einzuleben.
    Den ganzen Morgen über hatte sie daran denken müssen, wie sie sich als Teenager gefühlt hatte, als ihre Familie in ein hübscheres Haus in einem anderen Schulbezirk gezogen war. Ihre Mutter war so stolz gewesen, doch Wanda hatte die ersten Monate des Schuljahres ohne Freunde verbracht. Sie hatte niemanden gekannt, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie kennenzulernen. Die anderen Mädchen hatten sich über ihren Busen lustig gemacht, und die Jungs hatten jedes Mal gejohlt, wenn sie vorbeigegangen war. Sie hatte sich allein gefühlt und, ja, fremd. Und nachdem sie endlich begonnen hatte, sich einzuleben, hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, neue Schülerinnen zu unterstützen, damit niemals jemand wieder das erleben musste, was sie durchgemacht hatte.
    Es war lustig, wie diese Überzeugung über den Haufen geworfen wurde, weil das neue Mädchen einen Namen hatte, der nicht so leicht auszusprechen war, oder weil seine Haut dunkler war und es anders betete. Wanda hatte das schlimme Gefühl, dass der Gott, den sie anbetete, im Augenblick nicht besonders zufrieden mit ihr war. Wieder einmal war sie so weit, Buße zu tun. Wenn es eine Gruppe gab, die „Anonyme Ins-Fettnäpfchen-Treter“ hieß, sollte sie dringend die Treffen besuchen.
    Nachdem sie nach Hause gefahren war, geduscht und ein Stück ihres berühmten Grapefruit-Pies gegessen hatte, war sie bereit, die Sache hinter sich zu bringen. Wenn sie sich schon so schlecht fühlte, musste es Janya noch viel schlimmer gehen. Und Wanda war in einer langen schlaflosen Nacht klar geworden, dass sie Janya Kapur mochte und dass sie ihre Freundschaft nicht verlieren wollte. Und Tracys Freundschaft übrigens auch nicht, obwohl sie gespannt war, ob dieser Typ von den Handy Hubbies heute zum letzten Termin auftauchen würde oder nicht.
    Sie sah sich nach etwas um, das sie mit zu Janya nehmen konnte. Es sollte eine Art Friedensangebot sein. Die junge Frau liebte Pflanzen – Wandas Blumen hatten jedoch noch nie richtige Erde gesehen, es sei denn, sie zählte Hausstaub dazu. Ihr fiel ein, dass sie bei ihrem letzten Besuch im Supermarkt eine Handvoll neuer Magazine gekauft und noch nicht einen Blick hineingeworfen

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