Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
genug, um das zu spüren. Stattdessen wich er jedoch einen Schritt zurück.
„Ich habe auch eine Überraschung.“
Mit einem Lächeln ermunterte sie ihn. „Ist sie so köstlich wie meine?“
„Ich glaube, du wirst sie himmlisch finden. Aber auf eine andere Art.“
„Verrate es mir.“
„Ich war heute Morgen nicht bei der Arbeit. Das war nur eine Geschichte, die ich mir zurechtgelegt habe. Ich war am Flughafen.“
Einen Moment lang verstand Janya nicht. Dann trat Rishi zur Seite, und Janya erblickte Yash – den hübschen, lächelnden Yash –, der durch die geöffnete Tür kam.
Für einen Augenblick war sie erstarrt und fragte sich, ob sie sich nur einbildete, dass ihr Bruder gerade auf sie zukam. Doch dann klatschte sie in die Hände. „Yash!“ Sie rannte auf ihn zu, umarmte ihn und hüpfte auf und ab. „Yash, was machst du denn hier?“, fragte sie in ihrer Muttersprache.
Er schlang seine Arme um sie und drückte sie kurz. „Hast du schon vergessen, was für ein Tag heute ist, große Schwester?“
„Nein. Ja! Ja! Es ist Samstag.“
„Heute ist Raksha Bandhan. Und da du nicht in Indien warst, um mir das Armband anzulegen, das du geschickt hast, musste ich nach Amerika kommen, damit du es hier tun kannst.“
Als ihre Mutter an diesem Abend anrief, war Janya nicht sonderlich überrascht. Kurz nach seiner Ankunft hatte Yash seinen Eltern eine Nachricht hinterlassen, um ihnen mitzuteilen, wo er war. Doch erschöpft von der langen Reise war Yash bereits eingeschlafen, als Inika Desai schließlich zurückrief.
Janya hörte geduldig zu, als ihre Mutter sie beschuldigte, ihren Bruder entführt zu haben, zu planen, Yash von seiner Familie zu trennen, sich zu weigern, eine reumütige, respektvolle Tochter zu sein, und sich von den Menschen zu entfernen, über die sie so viel Leid gebracht hatte.
Als die Schimpftirade vorbei war, holte Janya tief Luft. „Ich war genauso erstaunt wie du, dass Yash zu Besuch gekommen ist. Aber eigentlich hätte ich es nicht sein müssen. Nichts, was du tust, kann meine Gefühle für meinen Bruder beeinträchtigen.“
Nach der nächsten Flut an Anklagen erwiderte Janya nur: „Ich hoffe, dass du eines Tages wieder Teil meines Lebens sein möchtest, Aii. Es liegt an dir, dich dann bei mir zu melden. Ich werde nicht mehr anrufen. Wenn deine Enkel geboren werden, werde ich dich nicht mit der Nachricht belästigen. Aber du sollst eines wissen: Wenn du deine Meinung änderst, wird unsere Tür dir offen stehen.“ Damit legte sie auf.
Sie war nicht mal halb so ruhig gewesen, wie sie geklungen hatte. Jetzt wuschen Tränen fort, was von der Maske, hinter der sie sich versteckt hatte, noch übrig war. Sie hatte keinen Einfluss auf die Dinge, die ihre Mutter tat, aber sie konnte beeinflussen, wie sie selbst darauf reagierte. Vielleicht würde ihre Mutter in Zukunft verstehen, wie viel sie verloren hatte, und versuchen, einen Weg zu ihrer Tochter zurück zu finden. Doch im Moment, sagte Janya sich, hatte sie noch immer eine Familie. Sie hatte Yash.
Sie hatte Rishi.
Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie drehte sich um und legte ihren Kopf an die Schulter ihres Ehemannes. Er schlang die Arme um sie und hielt sie fest, bis ihre Tränen versiegt waren.
Irgendwann löste sie sich von ihm und tupfte sich mit dem Saum ihrer Bluse die Augen trocken. „Rishi, das ist nicht das Einzige, was mich traurig macht. Ich muss dir etwas erzählen.“
Er ergriff ihre Hand und legte sie an seine Wange. Dann küsste er ihre Handfläche, ehe er sie losließ. „Nicht hier. Nicht wenn dein Bruder nebenan schläft.“
Ihre Lieblingsstelle am Strand fiel ihr ein. Sie war noch nie mit ihm dort gewesen. „Ich weiß, wo wir hingehen können.“
Der Abend war warm, doch es fühlte sich vertraut und tröstlich an – bis auf die salzige Luft, die so erfrischend war, wie die Luft in der Stadt niemals sein konnte.
Seite an Seite spazierten sie den Weg entlang. Sie hielten sich zwar nicht an den Händen, doch ihre Körper berührten sich beim Gehen. Rishi schwieg, als wüsste er, dass sie in Gedanken war und nicht gestört werden wollte. Das war nur ein weiterer Beweis, wie sehr er sich verändert hatte und wie sehr er sich bemühte, auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Sie wand sich durch die Büsche, auch wenn er meinte, dass es dunkel wurde und sie vorsichtig sein sollten. „Es ist nicht so unwegsam, wie es im Moment aussieht“, sagte sie. „Das hier ist mein Lieblingsplatz auf der
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