Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
suchten.
Doch sie hob die Hände nicht schnell genug, und die Frau lächelte schmallippig.
„Ja. Ich bin Mrs Woodley. Und um meinem Mann ein bisschen Arbeit abzunehmen, weil er einen sehr anspruchsvollen Job hat, hat er mich gebeten, einen Blick auf die Lebensläufe zu werfen, ehe ich sie ihm gebe.“
„Oh Gott.“
„Sie sind also eine religiöse Frau?“
„Ich wünschte es. Im Augenblick könnte ich etwas göttlichen Beistand gut gebrauchen.“
„Tja, das wäre auf jeden Fall nicht verkehrt.“
Tracy verschränkte die Arme vor der Brust und beugte sich über den Tresen. Sie brauchte den Halt. „Warum haben Sie mir nicht gleich gesagt, wer Sie sind?“
„Lassen Sie uns mal zurückdenken. Ich habe genau das getan, was ich tun muss. Ich glaube, ich habe Sie nach Ihrem Lebenslauf gefragt. Dann habe ich noch einmal danach gefragt. Und vielleicht habe ich Sie sogar ein drittes Mal darum gebeten. Was war daran bitte unklar?“
„Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie mit dem Direktor verheiratet sind.“
„Das sollte auch eigentlich nichts zur Sache tun.“
Tracy wusste, dass Mrs Woodley recht hatte. Es sollte nichts zur Sache tun. Die Schuld lag bei ihr. Bei ihr allein. Schon wieder.
Die Kehle schnürte sich ihr zusammen. Das Gefühl war ihr so fremd, dass sie einen Augenblick fürchtete, ersticken zu müssen. „Man sollte meinen, gerade ich würde das verstehen. Vor eineinhalb Jahren hatte ich noch alles. Was auch immer – ich besaß es. Dann hat sich einfach alles in Luft aufgelöst. Seit achtzehn Monaten sagt das Universum mir, dass ich keine verwöhnte Prinzessin bin, sondern ein Mensch wie jeder andere.“ Sie hatte keine Ahnung, warum sie das alles laut aussprach. Sie schniefte. „Ich weine sonst nie.“
„Jeder Mensch weint mal.“
„Tatsächlich?“ Wieder schniefte sie.
„Natürlich. Und wenn das hier kein angemessener Grund ist … Warum hat sich denn alles in Luft aufgelöst?“
„Weil ich mit einem Widerling, einem Betrüger, verheiratet war. Und wissen Sie was? Ich wusste es!“ Jetzt weinte die verwirrte Tracy erst richtig. Dicke Tränen rannen ihr die Wangen hinab, und ihre Nase lief. Sie weinte hemmungslos.
„Vielleicht war er nicht so schlimm, wie Sie annehmen, und hat sich nur geändert“, sagte Mrs Woodley.
„Nein, er war von Anfang an schlecht für mich. Da, ich habe es gesagt. Er war nicht nur schlecht, er war schlechter als schlecht. Und ich wusste, was für ein Mensch er ist, aber ich habe mir vorgemacht, dass er ein Geschäftsmann ist und dass man, um so vermögend und erfolgreich zu sein wie C J, das große Ganze betrachten muss. Also habe ich in die andere Richtung geschaut. Und macht mich das nicht auch zu einem schlechten Menschen? Und ist das nicht der Grund dafür, dass alles in sich zusammengebrochen ist und immer weiter zusammenbricht? Göttliche Rache?“
„Möglicherweise geht auch alles weiter den Berg hinab, weil Sie noch immer mit Ihren Mitmenschen umgehen, als wären Sie eine verwöhnte Prinzessin.“
„Ich weiß.“
„Dann ist es an der Zeit, damit aufzuhören, finden Sie nicht?“
„Tja, das ist ja das Verrückte. Ich versuche es ja. Schließlich bin ich damit immer wieder furchtbar angeeckt.“ Tracy nahm das Taschentuch, das die Frau ihr anbot, und wischte sich über die Augen. Doch sie war nicht schnell genug. Die Tränen flossen unaufhörlich weiter. „Neulich habe ich drei alten Männern fast einen Herzinfarkt beschert. Aber ich falle immer wieder in die altbewährten Muster zurück.“
„Meine Liebe, wenn das ‘altbewährt’ ist, müssen Sie an sich arbeiten. Vielleicht ist das schon alles, was das Universum Ihnen mitteilen will.“
Tracy putzte sich geräuschvoll die Nase. „Ich dachte, ich hätte zugehört. Ich habe schon wieder einen Rückfall erlitten.“
„Das passiert uns doch allen von Zeit zu Zeit.“
„Warum sind Sie so nett zu mir?“
„Weil Sie schon genug abbekommen haben, und Sie scheinen sich damit abzufinden. Sie brauchen keine weiteren Zurechtweisungen.“ Sie reichte Tracy noch ein Taschentuch.
„Ich habe nicht einmal geweint, als meine Scheidung rechtskräftig war.“ Tracy putzte sich wieder die Nase. „Allerdings habe ich geweint, als man uns unsere Schlafzimmermöbel weggenommen hat. In Kalifornien wird von Rechts wegen viel beschlagnahmt. Die Vertreter der Bundesbehörde und des Staates haben fast alles, was ich besessen habe, weggebracht.“
„Wie sind Sie hier gelandet?“
„Mein Ex hat in
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