Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
dass Alice nicht zurechtkam. Als ich es bemerkte …“ Er starrte auf das Haus. „Ich weiß nicht, wohin das Geld verschwunden ist. Nach ihrem Schlaganfall hat sie einige der besten Aktien verkauft und das Geld in anderen Dingen angelegt. Das war ein Fehler. Ein Teil des Geldes hat sich so einfach in Luft aufgelöst.“
Tracy hatte Mitleid mit beiden. „Sie kann sich glücklich schätzen, Sie zu haben. Was würde sie machen, wenn sie ganz allein wäre?“
„Wir haben einander. Sie ist ein tolles altes Mädchen. Wir stehen das gemeinsam durch.“
Sie verabredeten sich für Montag um sieben. Dann winkte Tracy ihm noch einmal zu und machte sich auf den Weg zurück nach Hause. Als sie dort ankam, erblickte sie Janya, die auf der Eingangstreppe saß.
Überrascht fragte sie sich, ob die junge Frau gekommen war, um sich wieder über die Klimaanlage zu beschweren. Doch Janya kam ohne Umschweife auf den Punkt.
„In meinem Land gibt es nach der Einäscherung eine Trauerzeit. Zehn, manchmal auch mehr Tage, an denen gefastet wird. Am letzten Tag feiern wir ein Fest und opfern den Göttern im Namen des Verstorbenen das Essen. Am nächsten Tag sprechen die Priester die Familie von ihren Sünden los, und wir nehmen unser alltägliches Leben wieder auf.“
„Sagen Sie nicht, dass wir das für Herb tun sollen. Wir sind nicht mal mit dem Mann verwandt.“
„Nicht genau so eine Zeremonie.“
„Und werden im Übrigen in Ihrem Land die Witwen nicht auch mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen verbrannt? Ich meine, sind das Beerdigungsrituale, die wir befolgen wollen?“
„Die Witwenverbrennung war eine kulturelle und keine religiöse Sitte, und es ist seit beinahe zweihundert Jahren gesetzlich verboten. Außerdem heißt es, dass dieser Brauch von Europäern nach Indien gebracht wurde.“
„Keiner der besten Importe.“
Janya stand auf und wischte sich über die Rückseite ihrer Jeans, die sie mit einer langen bestickten Tunika kombiniert hatte. „Das Ritual an sich ist nicht so wichtig – es ist nur wichtig, dass es ein Ritual gibt. Mr Krause hatte ein langes, segensreiches Leben …“
„Das wissen wir nicht, oder?“
„Wir können es aber annehmen. Und er war freundlich zu uns. Er hat mir immer zugelächelt.“
„Jetzt übertreiben Sie.“
„Würden Sie sich besser fühlen, wenn wir ihn einfach vergessen würden? Oder wenn wir diesen Tag gemeinsam in seinem Haus begehen würden?“
Tracy dachte an die Unterlagen, die sie noch durchlesen musste. Dann dachte sie über die Schuldgefühle nach, die sie plagen würden, wenn sie Nein sagte. „Wann?“
„Um drei. Ich habe schon mit Alice gesprochen. Wanda würde ich Ihnen überlassen.“
„Wissen Sie, ich glaube nicht, dass sie so unausstehlich ist, wie sie manchmal rüberkommt.“
„Es gibt viele Menschen auf der Welt, die so sind.“
Tracy hoffte nur, dass Janya damit nicht auch sie gemeint hatte.
Samstage waren im Dancing Shrimp keine guten Tage. Geschäftsleute und Damen, die sich zum Mittagessen trafen, wurden ersetzt durch schreiende Kleinkinder und junge Familie, die direkt vom Strand kamen und kein Geld für ein anständiges Trinkgeld hatten. Wanda verstand das – sie erinnerte sich daran, als ihre Kinder sich die günstige riesengroße Platte mit Shrimps und Pommes geteilt hatten und als jeder Rest vom Essen mit nach Hause genommen worden war.
Heutzutage hatte sie allerdings viel weniger Verständnis für Verschüttetes, das sie aufwischen musste, für Hochstühle, die sie durch das Restaurant schleppen musste, oder für die Suche nach ruhigeren Plätzchen für ältere Damen, die keine Lust auf Babygeschrei hatten. Das Schlimmste war, dass sie Angst hatte, sich allmählich selbst in eine von diesen „älteren Damen“ zu verwandeln.
Sobald es ging, verschwand sie nach Hause und freute sich schon auf eine wohlverdiente Dusche und ein kaltes Bier. Doch stattdessen fand sie eine Nachricht von Tracy über das Treffen in Herbs Haus.
„Fünf Minuten?“ Sie trat mit der Spitze ihres Pumps gegen die Tür. Natürlich konnte sie schwänzen, doch was würden die anderen über sie denken, wenn sie nicht da war?
Ihr blieb gerade noch genug Zeit, um in ein sauberes Kleid zu schlüpfen und ihre qualmenden, schmerzenden Füße in Sandalen zu stecken. Nach Backfisch duftend, verschwitzt und mit den klebrigen Überresten des Softdrinks eines Vorschulkindes an Armen und Händen, machte sie sich auf den Weg zu Herbs Häuschen.
Die anderen hatten sich
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