Insel meines Herzens
Royce sogleich, und bitten wir ihn um Hilfe. Wahrscheinlich kann er uns einiges über die Hollisters mitteilen. Außerdem solltest du deine Heiratsabsichten mit Brianna besprechen. Wenn mich nicht alles täuscht, spüren Joanna und Kassandra bereits, dass irgendetwas in der Luft liegt. Letzte Nacht hat Joanna mich ohne Umschweife gefragt, ob Brianna dein privates Interesse erregt hat.«
»War das so offensichtlich?« Stöhnend schnitt Atreus eine Grimasse.
»Keineswegs, aber die Damen... In gewissen Situationen sind ihre Instinkte den unseren weit überlegen.«
»Mit deiner ersten Empfehlung bin ich einverstanden...« Atreus unterbrach sich, und ein paar Sekunden später setzte er dezidiert hinzu: »Mit der zweiten nicht. Wenn ich Brianna ankündige, dass wir heiraten werden, möchte ich mich nicht von anderen Dingen ablenken lassen. Sobald meine Geschäfte in England erledigt sind...«
»... wirst du dich hinreichend befreit fühlen, um deine bemerkenswerten Überredungskünste anzuwenden«, vollendete Alex grinsend den Satz seines Bruders.
»So ungefähr. Nächste Woche fahren wir nach Hawkforte. Dort müsste sich eine Gelegenheit ergeben, die Sache zu regeln.«
»Noch dazu in einer geeigneten Umgebung. Diese romantische Atmosphäre...«
»Ach ja, ich entsinne mich – die hast du damals genutzt und Joanna gebeten, deine Frau zu werden.«
»Genau. Außerdem haben Royce und Kassandra auf meinem Landsitz ihre Differenzen bereinigt und zu heiraten beschlossen.«
»Nun, dann kann ich mir kein besseres Ambiente wünschen.«
Nachdem Atreus seine privaten Pläne geschmiedet hatte, lenkte er seine Aufmerksamkeit in andere Bahnen. Am späteren Vormittag stand eine Besprechung mit Lord Liverpool und einigen anderen Regierungsmitgliedern auf dem Programm. Und am Nachmittag würde er ein halbes Dutzend reiche, mächtige Geschäftsmänner treffen. Begierig strebten sie Handelsbeziehungen mit Akora an. Abends würde er den Ball besuchen, den Alex und Joanna ihm zu Ehren veranstalteten. Und so lag ein ereignisreicher Tag vor ihm.
Das alles nahm er klaglos hin. Pflicht war sein Leben, sein Leben die Pflicht. Nicht einmal in seiner Kindheit hatte er diesen Grundsatz infrage gestellt. Und der Ritus seiner Wahl zum Vanax hatte nur bestätigt, was ihm von Anfang an bestimmt gewesen war. Aber trotz diverser Geschäfte kehrten seine Gedanken immer wieder zu Brianna zurück. Deutlich genug erinnerte er sich an die zögernde Vorsicht in ihren Augen, die natürliche Anmut in ihren Bewegungen, die Art, wie sich ihr Körper in seiner Nähe ein wenig versteifte, an ihre innere Abwehr.
Während er am Fenster stand und den winterlichen Garten betrachtete, dachte er weder an Liverpool noch an den Prinzregenten, nicht einmal an Akora – sondern an leuchtende waldgrüne Augen, den feurigen Glanz seidiger Haare und Briannas Lächeln, die fragende Neigung ihres Kopfs – die Melodie ihrer Stimme...
Warum wichen seine normalerweise so disziplinierten Gedanken vom vorgegebenen Weg ab? Verwirrt kehrte er dem Fenster den Rücken.
Den kleinen braunen Sperling, der draußen umherhüpfte und Brotkrumen aufpickte, sah er nicht.
Am Fenster ihres Schlafzimmers, das zum Garten hinausging, brach Brianna noch ein kleines Stück von dem Brötchen ab, das sie von ihrem Frühstückstablett genommen hatte, und warf es dem Vogel zu. Zwischen den geöffneten Läden drang kalte Luft herein, und sie erschauerte ein wenig. Doch sie war viel zu sehr mit ihren Schwierigkeiten beschäftigt, um diese kleine Unannehmlichkeit wahrzunehmen.
Von einem anderen Fenster aus hatte sie den rothaarigen Gentleman davongehen sehen, mit ernster, sichtlich entschlossener Miene.
Wer mochte er sein? Warum war er zu so früher Stunde hierher gekommen? Seine Ankunft hatte sie nicht beobachtet. Deshalb wusste sie nicht, ob er empfangen oder abgewiesen worden war. Wie auch immer, er hatte sich hier eingefunden. Dahinter musste eine ganz bestimmte Absicht stecken. Hing sie mit dem auffälligen Interesse zusammen, das er im Carlton House an ihr gezeigt hatte?
In ihrem Herzen regte sich eine schwache, unbestimmte Hoffnung. So viel hatte sie verloren – ihre Heimat, ihre englische Familie und einen Großteil ihrer Identität. Und doch war ihr so viel gegeben worden – eine andere Heimat, eine andere Familie, ein neues Leben. Und während sie die lückenlose Wahrheit über sich selbst erfahren wollte, empfand sie gleichzeitig den Wunsch, dem Menschen treu zu bleiben, zu dem sie
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