Inselglück
oder ein Video. Oder die Liebe zu Fred hatte Samantha so überwältigt, dass sie beschlossen hatte zu reden. Oder ein Buchdeal über acht Millionen Dollar hatte verlockend geklungen.
»Es gibt noch was, von dem ich Ihnen erzählen wollte«, sagte Meredith. »In Freddys Büro hing eine gerahmte Fotografie. Sie zeigt eine Straßenszene in einer asiatischen Stadt, Freddy zufolge Malakka. Das ist die kulturelle Hauptstadt von Malaysia.«
»Und die ist relevant, weil … «
»Weil Freddy meines Wissens nie in Malakka war. Oder sonstwo in Malaysia. Und trotzdem hat Samantha dieses Foto für sein Büro gekauft. Die Rechnung kam, als er schon im Gefängnis war: zwölfhundert Dollar. Freddy hat die Aufnahme direkt hinter seinen Schreibtisch gehängt.« Und in diesem Moment fiel es Meredith ein: Die Straßenszene in Malakka hatte ein grobkörniges Foto von Freddy und seinem Bruder David ersetzt: beide mit nacktem Oberkörper und in abgeschnittenen Jeans vor einem Pontiac GTO , den David restauriert hatte. Es war das einzige verbliebene Bild von den zwei Brüdern zusammen, und das hatte Freddy gegen Malakka eingetauscht? »Dieser Ort hatte eine geheime Bedeutung für Freddy, glaube ich. Nein, ich bin mir sicher.«
»Sie meinen, er hat sich da mit dieser Deuce getroffen?«
»Treiben Sie das Foto einfach auf«, sagte Meredith.
»Okay, mache ich. Sie haben einen guten Instinkt.«
»Und, Dev?«
»Ja?«
Es gab noch eine letzte Sache. Die wichtigste, die entscheidende. Aber es fiel ihr schwer, die Bitte zu formulieren.
»Ich muss mit Fred sprechen.«
»Fred«, wiederholte Dev ausdruckslos.
»Ich muss mit ihm reden. Über diese Geschichte und über andere Dinge. Kann ich ihn anrufen, oder muss ich nach Butner fahren?«
»Eine Fahrt nach Butner wäre Zeitverschwendung«, sagte Dev.
Irgendwie war Meredith erleichtert, das zu hören. Der Gedanke, Nantucket zu verlassen, war schon entnervend genug. Und die Vorstellung, in der brutalen Augusthitze nach North Carolina zu reisen und sich dann dem Schmutz und der Erniedrigung aussetzen zu müssen, um den berüchtigtsten Insassen des Gefängnisses zu besuchen! Reporter würden über sie herfallen wie Bussarde über totgefahrene Tiere.
»Wirklich?«, fragte sie. »Zeitverschwendung?«
»Sein Verhalten ist unverändert«, sagte Dev. »Er spricht mit niemandem. Nicht einmal mit dem Pfarrer. Es ist unklar, ob er nicht sprechen kann oder ob er es nicht will.«
»Aber vielleicht will er mit mir sprechen«, gab Meredith zu bedenken. »Oder?«
»Vielleicht«, räumte Dev ein. »Doch das ist ein Glücksspiel.«
»Darf ich ihn anrufen?«, fragte Meredith.
»Ein Anruf pro Woche ist ihm erlaubt.«
Meredith schluckte. »Hat er … ? Hat er schon Anrufe entgegengenommen?« Was sie wissen wollte, war, ob er mit Samantha telefoniert hatte.
»Nein«, sagte Dev. »Er spricht mit niemandem.«
»Können Sie mir helfen, einen Anruf zu arrangieren?«
Dev seufzte. Es war das Seufzen eines viel älteren Mannes. Das hatte Meredith bewirkt. »Ich kann es versuchen. Wollen Sie das wirklich, Meredith?«
»Wirklich«, bekräftigte sie.
»Okay. Ich setzte mich mit dem Gefängnis in Verbindung und sehe, was ich tun kann.«
»Vielen Dank«, sagte Meredith. »Es ist wichtig für mich.«
»Geben Sie eine Erklärung ab, Meredith«, sagte Dev. »Das könnte Sie retten.«
Sie hatte den ganzen Sommer mit der Frage verbracht, wie sie sich retten könnte, und jetzt stellte sie fest, dass es ihr egal war. Verdammter Freddy!, dachte sie (eintausendsieben). Es war ihr egal, ob sie lebte oder starb; es war ihr egal, ob sie ins Gefängnis musste. Sie würde sich völlig verschließen, wie Fred. Sie würde nie mehr mit einem anderen Menschen reden.
War es das, was Freddy beabsichtigt hatte? Hatte er gewollt, dass sie gemeinsam untergingen? Hatte er sie deshalb gebeten, die fünfzehn Millionen Dollar zu überweisen?
Sich retten? Wofür?
Hochintelligent und begabt. Das Mädchen ist mein Herzensschatz.
Mommy, guck mal!
Sail on silver girl. Sail on by. Your time has come to shine. All your dreams are on their way.
Meredith setzte sich auf ihr Bett und versuchte, eine Erklärung zu verfassen. Sie stellte sich vor, wie sie damit zum Ende von Connies Einfahrt zu den neugierigen Reportern marschierte; dies würde die pikanteste Nachricht seit OJ Simpsons Fahrt in seinem weißen Bronco werden. Ihr Gesicht würde, gerahmt von grauen Haaren, auf jedem Fernsehschirm in Amerika zu sehen sein. Nein, das schaffte sie
Weitere Kostenlose Bücher