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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ist. Was ist der Nutzen von all diesen Wahlen und dummen Wahlkampfveranstaltungen, wenn es schließlich darauf hinausläuft? Ich frage mich, ob noch jemand so denkt. Ich bin nicht politisch, aber ich traue der Regierung nicht einen Millimeter. Ich bin eine kleine Person, aber ich bin nicht gar nichts.«
    Auf einmal schien er den Tränen nahe. »Wenn dies zum Besten der Stadt ist, wo sind dann die Bürger? Die Straßen sind leer! Wo sind alle? Was für eine Stadt ist das geworden? Wo ist die Polizei aus Wien? Sie sind die Sachverständigen zur Terrorismusbekämpfung. Warum geschieht dies? Warum fragt mich niemand, ob ich es in Ordnung finde? Ich finde es kein bißchen in Ordnung! Ich möchte Erfolg, wie jeder andere, ich arbeite und kümmere mich um meine Angelegenheiten, aber dies ist zuviel. Bald werden sie kommen und mich verhaften, weil ich diese Sendung mache. Fühlen Sie sich nicht besser, wenn Sie von mir hören? Ist es nicht besser, als dazusitzen und allein zu verschimmeln?«
    Plötzlich wurde heftig an die Tür des Mannes geschlagen. Er schaute verängstigt, streckte hastig die Hand aus, und der Bildschirm erlosch.
    Lauras Wangen waren naß. Sie weinte wieder. In ihren Augen war ein Gefühl, als hätte sie sie mit Stahlwolle gekratzt. Keine Selbstbeherrschung. Ach Gott, dieser arme tapfere kleine Mann…
    Jemand stand am Ladeneingang und rief etwas herein. Laura blickte erschrocken auf. Es war ein großer, martialisch aussehender Sikh mit Turban, Khakihemd und Shorts. Er hatte eine Plakette und Achselklappen und trug einen Schlagstock. »Was machen Sie hier?«
    »Oh…« Laura sprang auf. Der Segeltuchsitz ihres Klappstuhls war durchnäßt, wo sie gesessen hatte, und zeigte den gerundeten dunklen Abdruck ihres Hinterteils. Tränen standen ihr in den Augen; sie war verschreckt und fühlte sich in einer unbestimmten Weise zutiefst gedemütigt.
    »Nicht…« Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
    Der Wachmann sah sie an, als ob sie vom Mars heruntergefallen wäre. »Sie sind hier Mieterin, Madam?«
    »Der Aufruhr«, stammelte Laura. »Ich dachte, hier… hier könnte ich Zuflucht finden.«
    »Madam sind Touristin?« Er starrte sie an, dann zog er eine schwarzgefaßte Brille aus der Brusttasche und setzte sie auf. »Amerikanerin - ah!« Anscheinend hatte er sie erkannt.
    »Gut«, sagte Laura und streckte die Hände aus, noch in den durchtrennten Kunststoffhandschellen. »Nehmen Sie mich fest. Bringen Sie mich in Gewahrsam.«
    Der Sikh hob abwehrend die Hand. »Madam, ich bin nur privater Wachmann. Kann Sie nicht festnehmen.«
    Die kleine alte Frau stand plötzlich auf und schlurfte direkt auf ihn zu. Im letzten Augenblick trat er unbeholfen beiseite. Sie wanderte hinaus in die Halle. Er starrte ihr stirnrunzelnd nach.
    »Hielt Sie für Plünderer«, sagte er. »Bedaure sehr.«
    »Können Sie mich zu einem Polizeirevier bringen?«
    »Aber Sie werden doch nicht, Mrs… Mrs. Webber… Madam, ich kann nicht übersehen, daß Sie ganz naß sind.«
    Laura versuchte ihn anzulächeln. »Regen. Auch Wasserwerfer.«
    Der Sikh richtete sich auf. »Es ist sehr großer Kummer für mich, daß Sie dies in unserer Stadt erfahren, als Gast der Regierung von Singapur, Mrs. Webber.«
    »Das ist schon in Ordnung«, murmelte Laura. »Wie ist Ihr Name, Sir?«
    »Singh, Madam.«
    Natürlich. Alle Sikhs hießen Singh. Laura kam sich wie eine Idiotin vor. »Ich könnte die Polizei gebrauchen, Mr. Singh. Ich meine, ein hübsches ruhiges Polizeirevier außerhalb des Aufstandsgebietes.«
    Singh klemmte seinen Stock unter den Arm. »Sehr wohl, Madam.« Er bemühte sich, nicht zu salutieren. »Sie folgen mir, bitte.«
    Sie gingen zusammen durch die leere Passage. »Wir werden Sie bald versorgen«, sagte Singh in ermutigendem Ton. »Die Pflicht ist schwierig in diesen Zeiten.«
    »Sie sagen es, Mr. Singh.«
    Sie betraten einen Lastenaufzug und fuhren ein Stockwerk tiefer in eine staubige Tiefgarage. Viele Fahrräder, einige wenige Wagen, größtenteils alte Klapperkästen. Singh zeigte mit seinem Stock. »Sie fahren auf dem Beifahrersitz meines Motorrollers, wenn genehm?«
    »Gewiß, in Ordnung.« Singh sperrte das Lenkschloß auf und startete die Maschine. Sie saßen auf und fuhren mit einem komisch hohen Schnurren eine Rampe hinauf zur Straßenebene. Der Regen hatte vorübergehend nachgelassen. Singh fuhr langsam auf die Straße.
    »Es gibt Straßensperren«, sagte Laura.
    »Ja, aber…« Singh zögerte, dann trat er auf die Bremse.
    Eines

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