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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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zurückblieb. Hinter seiner dunklen Brille grinste er wie ein Zehnjähriger. Er hatte wirklich seinen Spaß daran, sah Laura. Sie umklammerte die Tragtasche mit dem Baby mit einer Hand, während die andere sich mit weißen Knöcheln um eine Käfigstange klammerte. Nach einer Weile zog sie es vor, die Augen zu schließen.
    Der Ausleger schwenkte sie über das Deck. Laura sah im Vorbeischwenken den Kranführer - eine alte Negerin mit grauem Kraushaar, das ihr wie in einer Explosion um den
    Kopf stand. Sie bediente gummikauend die Schalthebel. Unter ihnen erstreckte sich das Deck wie eine Flughafenrollbahn, unterbrochen von seltsam aussehenden funktionellen Anordnungen: verriegelten Luken, gebogenen Be- und Entlüftungsöffnungen, Ventilen, Schaumtanks, hydraulischen Leitungen, die sich wie kopfstehende Us über die Radwege bogen. Auch lange Zelte waren zu sehen, und Gemüsegärten, beschattet von Bäumen in großen Kübeln. Eine Zitrusplantage im Windschutz aufgespannter Kunststoffbahnen. Und säuberlich gestapelte Hügel gefüllter Jutesäcke.
    Sie gingen über einem aufgemalten X auf das Deck nieder und setzten mit einem Stoß auf. »Alles aussteigen«, sagte Andrej. Sie verließen den Käfig, der sofort wieder abhob. Laura schnüffelte die Luft. Eine vertraute Duftspur unter den Gerüchen von Rost und Salzwasser und Farbe. Ein feuchter, gärender Geruch, wie Tofu.
    »Scop!« sagte David erfreut. »Einzellerprotein!«
    Andrej nickte. »Die Charles Nogues ist ein Nahrungsschiff.«
    »Wer ist dieser Nogues?« fragte David.
    »Ein lokaler Held«, sagte Andrej mit ernster Miene.
    Carlotta nickte David zu. »Charles Nogues warf sich von einem Kliff.«
    »Was?« sagte David. »War das einer von diesen Kariben- Indianern?«
    »Nein, er war ein Freier Farbiger. Das war später, im Kampf gegen die Sklaverei. Aber die britische Armee schlug den Aufstand nieder, und sie gingen kämpfend zugrunde.« Carlotta seufzte. »Ein furchtbares Durcheinander, die Geschichte Grenadas. Ich habe das alles von Sticky.«
    »Die Besatzung dieses Schiffes ist die Vorhut der Bewegung des Neuen Jahrtausends«, erklärte Andrej. Sie folgten seiner Führung zu dem entfernten, hochragenden Schiffsaufbau. Es war schwierig, ihn nicht als eine Art Bürokomplex zu sehen, weil das Schiff selbst so massiv und fest wie eine städtische Straße unter ihnen war. Auf den Radwegen überholte sie der Verkehr, Männer, die beladene Fahrradrikschas in Bewegung hielten. »Vertrauenswürdige Parteikader«, sagte der blonde, polnische Andrej. »Unsere Nomenklatura.«
    Laura, die das Baby in seiner Tragtasche über die Schulter gehängt hatte, blieb einen Schritt zurück, während David und Andrej nebeneinander vor ihr gingen. »Es beginnt einen gewissen Sinn zu ergeben«, sagte David. »Wenn sie diesmal wie Nogues und die Kariben von ihrer Insel gejagt werden, haben die Leute einen Ort, wohin sie sich retten können, nicht wahr?« Er deutete mit einer Handbewegung zum Schiff ringsum.
    Andrej nickte nüchtern. »Grenada erinnert sich vieler Invasionen. Die Bevölkerung ist sehr tapfer, sie hat auch Visionen, aber es ist ein kleines Land. Immerhin, die Ideen, die heutzutage hier verwirklicht werden, sind groß, Mr. Webster. Größer als Grenzen.«
    David musterte ihn von der Seite. »Was hat eigentlich jemand aus Danzig hier verloren?«
    »Das Leben in Polen ist einförmig«, antwortete Andrej obenhin. »Stockkatholischer Konsumentensozialismus, keine geistigen Werte, keine Perspektive. Ich möchte dort sein, wo die Aktion ist. Und die Aktion ist heutzutage im Süden. Der Norden, unsere entwickelte Welt, ist langweilig. Berechenbar. Dies ist die Klinge, die schneidet.«
    »Sie sind also nicht einer von diesen ›Verrückten Wissenschaftlern ‹?«
    »Solche Leute sind nur als Werkzeuge nützlich«, sagte Andrej mit deutlicher Geringschätzung. »Wir tauschen sie, aber in der Bewegung des Neuen Jahrtausends spielen sie keine wirkliche Rolle. Sie verstehen die Wünsche des Volkes nicht.« Laura konnte aus seiner Betonung die Großbuchstaben heraushören. Diese Sache nahm eine Richtung, die ihr nicht gefiel.
    »Klingt sehr hübsch«, erwiderte sie. »Wie vereinbaren Sie das mit Rauschgiftfabriken und Datenpiraterie?«
    »Alle Information sollte frei sein«, sagte Andrej, seinen Schritt verlangsamend. »Was Drogen betrifft…« Er griff in eine Seitentasche seiner Arbeitshose, brachte eine abgeflachte Rolle glänzenden Papiers zum Vorschein und gab sie ihr.
    Laura

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