Inseln im Strom
und der schwere Mann kehrte in die Kombüse zurück.
Sie standen auf dem Vordeck, und es war so dunkel, daß Thomas Hudson Willies Gesicht eben noch erkennen konnte. Er sah besser aus bei dieser Beleuchtung, und Willie hatte ihm die Seite mit dem gesunden Auge zugekehrt. Thomas Hudson sah Willie an. Dann blickte er die beiden Ankertrossen entlang zum Strand hinüber, wo noch ein Baum zu erkennen war. Ein mieser Ankerplatz, dachte er, und er sagte: «So, Willie, nun sag alles. Sag auch den Rest.»
«Du», sagte Willie. «Du quälst dich da oben zu Tode, weil dein Junge tot ist. Weißt du nicht, daß allen Leuten die Jungen wegsterben?»
«Das weiß ich. Sonst etwas?»
«Der Scheiß-Peters und dieser Scheiß-Kraut stinken mir. Und was ist das eigentlich für ein Schiff, wo der Koch Steuermann spielt?»
«Wie kocht er?»
«Erstklassig kocht er. Und mit kleinen Fahrzeugen kann er besser umgehen als wir alle zusammen, auch besser als du.»
«Viel besser.»
«Scheiße, Tom. Du denkst, mir ist der Kragen geplatzt. Ich hab gar keinen Kragen, der platzen könnte. Ich bin bloß andere Verhältnisse gewöhnt. Ich bin gerne an Bord, und ich mag sie alle, außer diesem Scheiß-Peters. Hör endlich auf, dich herumzuquälen.»
«Ich quäle mich nicht», sagte Thomas Hudson. «Ich habe nichts als unsere Arbeit im Kopf.»
«Du bist so gottverdammt edel, daß sie dich ausstopfen und kreuzigen sollten», sagte Willie. «Denk mal an ‘ne Fotze.»
«Das haben wir ja vor uns.»
«Endlich redest du wie du.»
«Willie, bist du jetzt wieder beisammen?»
«Ja, wieso eigentlich nicht? Wahrscheinlich hat mich dieser Kraut geschafft. Sie hatten ihn so prima zurechtgemacht, wie wir nie einen zurechtmachen würden. Na, vielleicht doch, wenn Zeit wäre. Aber die haben sich die Zeit genommen. Sie wissen nicht, wie dicht wir ihnen auf den Hacken sind, aber sie wissen schließlich, daß irgendwer hinter ihnen her ist. Alle sind jetzt hinter ihnen her. Aber sie haben ihn hergerichtet, wie keiner einen herrichten kann in diesem Zustand.»
«Gewiß», sagte Thomas Hudson. «Die Leute auf der Insel da hinten haben sie auch ganz schön versorgt.»
«Ja», sagte Willie. «Ist denn so was zu begreifen?»
In diesem Augenblick kam Peters. Er benahm sich immer wie ein aktiver Soldat, auch wenn er ziemlich mitgenommen war, und am stolzesten auf die formlose Disziplin, die an Bord herrschte, war er. Er hatte auch die meisten Vorteile davon. Jetzt blieb er stehen, nahm Haltung an und machte eine Ehrenbezeigung, was bewies, daß er getrunken hatte, und meldete: «Tom… ich meine, Sir, er ist tot.»
«Wer ist tot?»
«Der Gefangene, Sir.»
«Danke», sagte Thomas Hudson. «Bring deinen Generator in Gang und sieh zu, ob du Guantanamo erreichen kannst.»
Er dachte, vielleicht haben sie eine Nachricht für uns.
«Hat der Gefangene noch etwas gesagt?» fragte er Peters.
«Nein, Sir.»
Er fragte: «Wie geht es dir jetzt, Willie?»
«Gut.»
«Hol ein paar Blitzlichter und fotografiere ihn. Zweimal. Nimm ihn von der Seite auf, wie er an Deck liegt. Nimm die Decke weg und zieh ihm die Shorts aus und nimm ihn auf, der Länge lang, wie er auf dem Achterdeck liegt. Und dann nimm sein Gesicht groß auf, und dann das Gesicht auf dem Deck.»
«Ja, Sir», sagte Willie.
Thomas Hudson ging zum Peildeck hinauf. Er hörte, wie der Generator ansprang, und dann sah er das Aufblitzen der Blitzlichter. Bei der Auswertung werden sie uns nicht einmal diesen armen Hund von einem Gefangenen abnehmen, dachte er. Wir haben keinen Beweis. Irgendwer behauptet bestimmt, sie hätten eine Leiche über Bord geworfen, und wir hätten sie aufgepickt. Ich hätte ihn zeitiger fotografieren lassen sollen. Scheiß drauf. Vielleicht kriegen wir morgen die anderen.
Ara kam auf die Brücke.
«Tom, wer soll ihn an Land bringen und begraben?»
«Wer hat heute am wenigsten getan?»
«Sie haben alle hart gearbeitet. Ich nehme Gil mit, und wir machen’s zusammen. Wir können ihn am Strand begraben, gleich über der Hochwasserlinie.»
«Ein bißchen höher, wenn’s geht.»
«Ich schick Willie herauf, und du sagst ihm, was du daraufgeschrieben haben willst. Ich habe ein Brett von einer Kiste in der Last.»
«Schick mir Willie.»
«Wollen wir ihn einnähen?»
«Nein, wickelt ihn in seine eigene Decke. Und schick mir Willie herauf.»
«Was sollen wir darauf schreiben?» fragte Willie.
«Schreib ‹Unbekannter deutscher Seemann› auf das Brett. Und schreib das Datum
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