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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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in denen die Sonne ihn blind machte, und für einige andere Sachen.
    «Tut mir leid, Tom», sagte Henry. «Ich werde mich in acht nehmen mit dem, was ich denke und sage.»
    Willie war mit der Rumflasche voll Tee, die in eine Papierserviette eingeschlagen und mit einem doppelten Gummiring umwickelt war, um die Serviette festzuhalten, zurückgekehrt.
    «Der Tee ist kalt, Käpt’n», sagte er. «Ich habe die Flasche gut verpackt.» Er gab ihm das Sandwich, das in ein Stück Serviette eingeschlagen war, und sagte: «Eine Spitzenleistung. Wir nennen diese Art Mount Everest Special, exklusiv für Kommandanten.»
    Bei der Windstille roch Thomas Hudson sogar auf der Brücke noch seine Fahne.
    «Ist es dafür nicht etwas früh am Tage, Willie?»
    «Nein, Sir.»
    Thomas Hudson sah ihn prüfend an.
    «Was hast du gesagt, Willie?»
    «Nein, Sir. Hast du’s nicht gehört, Sir?»
    «In Ordnung», sagte Thomas Hudson. «Jetzt habe ich es zweimal gehört. Und jetzt hörst du gut zu: Geh hinunter. Bring die Kombüse in Ordnung, und dann geh aufs Vorschiff und stell dich neben den Anker, wo ich dich sehen kann.»
    «Jawohl, Sir», sagte Willie. «Mir ist schlecht.»
    «Ich scheiß drauf, wie du dich fühlst; komm mir nicht mit euren Militärvorschriften. Wenn dir schlecht ist, kannst du gleich noch etwas viel Schlechteres erleben.»
    «Jawohl, Sir», sagte Willie. «Mir ist schlecht, ich möchte zum Schiffsarzt.»
    «Auf dem Vorschiff ist er. Klopf an die Huze vom Niedergang und sieh nach, ob er da ist.»
    «Das habe ich gemeint, Sir.»
    «Was hast du gemeint?»
    «Nichts, Sir.»
    «Er ist stockbesoffen», sagte Henry.
    «Das ist er nicht», sagte Thomas Hudson. «Er trinkt nur. Er ist eher verrückt.»
    «Er ist schon eine ganze Zeit sonderbar», sagte Ara. «Aber er war immer komisch. Keiner von uns hat so viel hinter sich wie er. Ich habe überhaupt noch nichts hinter mir.»
    «Tom hat auch allerlei hinter sich», sagte Henry. «Und er trinkt kalten Tee.»
    «Hört auf mit diesem wehleidigen Geschwätz», sagte Thomas Hudson. «Ich habe nichts hinter mir, und ich mag kalten Tee.»
    «Früher nicht.»
    «Man lernt nie aus, Henry.»
    Der Leuchtturm war jetzt schon nahe, und er sah den Felsen, um den er noch herumgehen mußte. Die Unterhaltung mißfiel ihm.
    «Geh mit ihm nach vorn, Ara, und paß auf, was er macht. Bleib etwas bei ihm. Und du holst die Angelleinen ein, Henry. George, geh hinunter und hilf Antonio beim Dingi. Wenn er will, fährst du mit ihm an Land.»
    Er war allein auf der Brücke. Vom Felsen her roch es nach Guano. Er umfuhr die Landspitze und ankerte auf zwei Faden Wassertiefe. Der Grund war sauber, und die Tide strömte stark. Er sah zu dem weißgekalkten Haus hinauf und zu dem hohen, altmodischen Leuchtturm, und dann von dem Felsen hinüber zu den grünen Mangroveninseln, hinter denen das langgestreckte, felsige Kap von Cayo Romano wie eine Barre lag. Sie kannten den Anblick der langen, sonderbaren und verpesteten Insel jetzt so lange und hatten sich so oft an ihre Landmarke gehalten, bei gutem und schlechtem Wetter, daß es ihm jedesmal naheging, wenn sie in Sicht kam oder außer Sicht. Jetzt sah er sie von ihrer kahlsten und nacktesten Seite, und sie sprang wie eine räudige Wüste vor. Es gab verwilderte Pferde, Rinder und Schweine auf der Insel, und er hätte gern gewußt, wie viele Leute sich schon eingebildet hatten, sich dort ansiedeln zu können. Es gab da grasige Hügel und schöne, waldreiche Täler, und früher, als Franzosen einmal versucht hatten, auf Romano zu leben, hatte es dort einmal eine Ansiedlung namens Versailles gegeben. Jetzt standen die Blockhäuser leer, bis auf das eine große Haus, und als Thomas Hudson einmal an Land gegangen war, um Wasser zu holen, hatten sich Hunde zwischen den Schweinen herumgetrieben, die sich im Schlamm gesuhlt hatten, und Hunde wie Schweine waren mit einer dicken grauen Schicht Moskitos bedeckt gewesen. Wenn der Passat wehte, war es eine wunderbare Insel, und man konnte zwei Tage mit dem Gewehr unterwegs sein und war in einem guten Land. Es war so unberührt, wie die Küste gewesen war, als Kolumbus sie in Sicht bekommen hatte. Aber wenn das Wetter flau wurde, stiegen die Moskitos in ganzen Wolken aus den Marschen, und von ‹Wolken› reden war hier keine Metapher. Sie kamen wirklich in Wolken und konnten einen Mann zu Tode stechen. Die Leute, hinter denen wir her sind, konnten bei dieser Windstille nicht auf Romano geblieben sein. Sie mußten weitergefahren

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