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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Haar der Mädchen naß und aus der Stirn gestrichen, so daß die Form ihres Kopfes frei hervortrat, und es schien Thomas Hudson, als habe er nie ein lieblicheres Gesicht oder eine schönere Gestalt gesehen. Außer einer, dachte er. Außer der schönsten und lieblichsten. Aber er sagte sich: denk nicht daran. Sieh dir das Mädchen an und freu dich, daß sie da ist.
    «Wie war’s?» fragte er sie.
    «Wunderbar.» Sie lächelte ihn an. «Aber ich habe nicht einen einzigen Fisch gesehen», sagte sie zu David.
    «Das ist klar bei der Brandung», sagte David, «wenn Sie nicht gerade in einen hineinschwimmen.»
    Sie hatte sich in den Sand gesetzt und ihre Hände um die Knie gefaltet. Ihr nasses Haar hing ihr auf die Schultern, und die beiden Jungen saßen neben ihr. Roger lag vor ihr im Sand, die Stirn auf den gekreuzten Armen.
    Thomas Hudson öffnete die Drahtgittertür und ging ins Haus und dann die Treppe hinauf, um weiter an seinem Bild zu arbeiten. Das ist das beste, was du machen kannst, dachte er.
    Unten im Sand, wo Thomas Hudson sie nicht mehr beobachtete, sah das Mädchen Roger an. «Haben Sie schlechte Laune?» fragte sie.
    «Nein.»
    «Nachdenklich?»
    «Ein bißchen vielleicht. Ich weiß nicht.»
    «Bei so schönem Wetter denkt man nicht nach.»
    «Das ist richtig. Aufhören mit Nachdenken… darf ich mir die Wellen ansehen?»
    «Die Wellen sind erlaubt.»
    «Wollen Sie noch mal hinein?»
    «Später.»
    «Wer hat Ihnen das Schwimmen beigebracht?» fragte Roger sie.
    «Sie.»
    Roger hob den Kopf und sah sie an.
    «Erinnern Sie sich denn nicht mehr an den Strand bei Cap d’Antibes? Den kleinen Strand? Nicht Eden Roc, auf Eden Roc habe ich Ihnen immer zugesehen, wenn Sie tauchten.»
    «Verdammt, wie kommen Sie hierher, und wie heißen Sie richtig?»
    «Ich wollte Sie wiedersehen», sagte sie, «und soviel ich weiß, heiße ich wirklich Audrey Bruce.»
    «Sollen wir weggehen, Mr. Davis?» fragte der junge Tom.
    Roger antwortete ihm gar nicht. «Wie ist Ihr richtiger Name?»
    «Ich hieß früher Audrey Raeburn.»
    «Und warum wollten Sie mich wiedersehen?»
    «Ich wollte es eben. War das falsch?»
    «Ich glaube nicht», sagte Roger. «Wer hat Ihnen gesagt, daß ich hier bin?»
    «Ein gräßlicher Kerl, den ich auf einer Party in New York kennengelernt habe. Sie hatten sich mit ihm geschlagen. Er sagte, Sie wären ein Strolch.»
    «Das macht sich ja alles ganz hübsch», sagte Roger und sah aufs Meer hinaus.
    «Er sagte auch noch ein paar andere Sachen über Sie. Ein Kompliment war nicht darunter.»
    «Mit wem waren Sie in Antibes?»
    «Mit Mutter und Dick Raeburn. Wissen Sie’s jetzt wieder?»
    Roger setzte sich und sah sie an, dann ging er zu ihr hin, legte seinen Arm um sie und gab ihr einen Kuß.
    «Gottverdammich», sagte er.
    «Hätte ich lieber nicht kommen sollen?» fragte sie.
    «Du Kröte», sagte Roger, «bist du’s wirklich?»
    «Soll ich’s beweisen? Glauben Sie es sonst nicht?»
    «An irgendwelche besonderen Kennzeichen kann ich mich sowieso nicht erinnern.»
    «Mögen Sie mich jetzt?»
    «Ich bete dich an.»
    «Ich konnte schließlich nicht mein ganzes Leben aussehen wie ein Fohlen. Wissen Sie noch, wie Sie mir damals in Auteuil gesagt haben, ich sähe aus wie ein Fohlen, und wie ich da geheult habe?»
    «Das sollte doch nett sein. Außerdem habe ich gesagt, du sähest aus wie ein Fohlen von Tenniel aus Alice im Wunderland.»
    «Aber geheult habe ich.»
    Andy sagte: «Mr. Davis und Audrey, wir Jungen gehen jetzt hinauf und holen uns ein paar Cocas, wollen Sie auch eine?»
    «Nein, Andy, und du, Kröte?»
    «Ja, ich würde gerne eine haben.»
    «Komm mit, Dave.»
    «Nein, ich will zuhören.»
    «Du bist manchmal ein Scheusal von Bruder», sagte der junge Tom.
    «Bring mir auch eine Coca mit», sagte David. «Lassen Sie sich nicht von mir stören, Mr. Davis. Sie brauchen gar keine Rücksicht auf mich zu nehmen.»
    «Ich nehme keine Rücksicht auf dich, Davy», sagte das Mädchen.
    «Aber wo bist du denn danach hingegangen, und wie kommt es, daß du Audrey Bruce heißt?»
    «Das ist irgendwie kompliziert.»
    «Das kann ich mir vorstellen.»
    «Mutter heiratete am Ende einen Mann, der Bruce hieß.»
    «Ich kenne ihn.»
    «Ich habe ihn gemocht.»
    «Ich passe», sagte Roger. «Und woher kommt das Audrey?»
    «Das ist mein zweiter Vorname. Ich nahm ihn, weil ich Mutters Namen nicht mochte.»
    «Ich habe deine Mutter nicht leiden können.»
    «Ich auch nicht. Ich mochte Dick Raeburn leiden, und Bill Bruce

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