Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inside Occupy

Inside Occupy

Titel: Inside Occupy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Graeber
Vom Netzwerk:
wenigstens 1000 Polizisten. Späher bestätigten, dass rings um den Park ostentativ berittene Polizei, Motorradstreifen, Gefängniswagen und Gerät zur Aufstandsbekämpfung zusammengezogen wurden. Polizisten im weißen Hemd – das sind die, die das Sagen haben – fragten jeden, der ihnen nach einem Versammlungsleiter aussah, nach unseren Plänen. Es war zu diesem Zeitpunkt ein großer Vorteil, dass, selbst wenn sich einer als Verbindungsmann angeboten hätte, er nicht hätte sagen können, wie diese Pläne aussahen.
    Die Versammlung ging bis in den späten Abend. Eine Unmenge Szenarien wurden angeschnitten, in Betracht gezogen und größtenteils wieder verworfen. Immer wieder erreichten uns Mitteilungen der Polizei, man bereite die Räumung des Parks vor – erst hieß es 22 Uhr, dann 22 Uhr 30, dann 23 Uhr. Die Leute ignorierten sie geflissentlich oder ließen sie wissen, die Versammlung sei noch in vollem Gang. Es dauerte nicht lange, und es wurden zwei Denkrichtungen deutlich: Eine Gruppe, die größere, wollte den Park besetzen und als permanente Operationsbasis halten, ganz nach dem Vorbild des Tahrir-Platzes in Kairo, des Athener Syntagma-Platzes oder der Plaça de Catalunya in Barcelona. Nach Ansichteiner anderen, kleineren, wenn auch nicht weniger entschlossenen Gruppe sollten wir direkt in die Wall Street marschieren und, wenn möglich, die Straße vor der Börse besetzen. Einige führten an, es verstieße technisch gesehen noch nicht einmal gegen das Gesetz. Wie seit Bloombergville bekannt, war es durchaus legal, als Form des politischen Ausdrucks auf dem Gehsteig zu nächtigen – vorausgesetzt, man ließ einen Korridor für die Passanten. Ein paar besonders Unerschrockene hatten einige Wochen zuvor bereits die Lage zu peilen versucht, indem sie ihre Schlafsäcke genau gegenüber der Börse ausgerollt hatten. Man hatte sie vom Fleck weg festgenommen, aber nachdem sie darauf bestanden hatten, einem Richter vorgeführt zu werden, hatten sie diesem die klare Aussage abgetrotzt, ihre Aktion sei – ganz im Gegensatz zu ihrer Verhaftung – völlig legal. So beteuerten einige, die Polizei würde es angesichts eines solchen Präzedenzfalles nicht wagen, jemanden ein zweites Mal für dieselbe Tat am selben Ort festzunehmen. Andere wiesen darauf hin, die Stadt koste eine Aktion dieser Art wahrscheinlich bereits eine knappe Million alleine an Überstunden, man würde es sich also zweimal überlegen, die Zahlung von 20 000 oder 30 000 Dollar Entschädigung pro widerrechtlicher Festnahme zu riskieren. Nun, verhaften würden sie uns mit Sicherheit trotzdem.
    Beim Konsensverfahren wird nicht abgestimmt; man arbeitet auf einen Kompromiss hin oder, besser noch, auf eine kreative Synthese, die jeder akzeptieren kann. So auch hier. Zum Schlüsselmoment kam es, als Mike, der sich klugerweise dem Moderatorendienst entzogen hatte, um seine Erfahrung in ebendieser Weise umsetzen zu können, folgenden Vorschlag machte:
    »Es scheint zwei Positionen zu geben«, sagte er.
    »
Es scheint zwei Positionen zu geben
«, wiederholte die Menge.
    »Entweder wir bleiben im Park oder wir marschieren zur Wall Street.«
    »
Entweder wir bleiben im Park oder wir marschieren zur Wall Street

    »Wir wissen nicht, ob die uns heute hier übernachten lassen.«
    »
Wir wissen nicht, ob die uns heute hier übernachten lassen

    »Eines ist klar: Das Letzte, was die Polizei will, ist, dass wir zur Wall Street marschieren.«
    »
Eines ist klar: Das Letzte, was die Polizei will, ist, dass wir zur Wall Street marschieren

    »Also schlage ich Folgendes vor …«
    »
Also schlage ich Folgendes vor

«
    »Wir geben bekannt, dass wir den Platz besetzen …«
    »
Wir geben bekannt, dass wir den Platz besetzen

«
    »Und dass wir auf der Stelle zur Wall Street marschieren, wenn die Polizei uns zu vertreiben versucht.«
    »
Und dass wir auf der Stelle zur Wall Street marschieren, wenn die Polizei uns zu vertreiben versucht.
«
    Und das war dann so ziemlich die Lösung, die schließlich angenommen wurde.

    Das wahre Verdienst für das, was danach passierte – binnen Wochen breitete sich da eine Bewegung auf 800 Städte aus, die noch von radikalen Oppositionsgruppen im fernen China Unterstützung erfuhr –, gebührt in der Hauptsache anderen jungen Leuten, die sich so entschlossen auf die Hinterbeine stellten und einfach nicht gehen wollten, und das trotz endloser (und in vielen Fällen ganz offensichtlich illegaler) Repressalien, mit

Weitere Kostenlose Bücher